jupp0r 4.0

Diverse Photography

Sarek

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Nach einer einfach nur atemberaubenden Tour sind Maxi und ich wieder wohlbehalten in Dresden angekommen. Im Gepäck haben wir nicht nur viele tolle Erinnerungen und fast alle Ausrüstungsgegenstände, die wir mit nach Lappland genommen haben, sondern auch ca 20GB an Fotos. Die Fotos sind mittlerweile einigermaßen sortiert, bearbeitet, zusammengefügt, kategorisiert und gebackuped. Die schönsten sind diesem Reisebericht hinzugefügt worden. Als Grundlage dient mein Reisetagebuch, das ich im ersten Teil der Tour noch gepflegt, später aber sträflich vernachlässigt habe. Nachträgliche Ergänzungen habe ich speziell gekennzeichnet.

Den GPS-Track zur Tour kann man sich hier anschauen. Insgesamt haben wir in 23 Tagen etwa 243km zurückgelegt, und sind dabei 8918 Höhenmeter auf- und wieder abgestiegen, die Rucksäcke wogen dabei 27kg bis 11kg (Maxi) und 35kg bis 25kg (Jupp), die Schwankungen sind auf unsere verbrauchten Vorräte an Essen und Gas zurückzuführen.

Wir sind mit Essenspaketen für 19 Tage gestartet, ca 9kg für Maxi und 14kg für mich, dazu kamen 4 Gaskartuschen, von denen wir aber nur 2½ verbraucht haben. Der Rucksack wurde also jeden Tag um einiges leichter. Die genauen Packlisten gibt es im Wiki.

24. August 2012 - Nachtzug Stockholm-Narvik

Nun sitze ich wieder im Zug nach Gällivare, obwohl mir alles schon sehr bekannt vorkommt, bin ich doch überaus gespannt und weiß nicht so recht, was mich erwartet. Gestern sind wir in Frankfurt Oder losgefahren, Mama und Papa haben Maxi und mich zum Bahnhof gebracht.

Maxis Ausrüstung vor dem Einpacken
Maxis Ausrüstung vor dem Einpacken

Unsere Rucksäcke sind schon beim Weg über den Bahnhof unangenehm schwer gewesen, Maxis wiegt 27kg und meiner 35kg. Das Gewicht macht mir aber keine großen Sorgen, weiß ich doch, dass sich der Körper nach den ersten Tagen gut daran gewöhnt und dass ja außerdem jeden Tag Gewicht durch aufgebrauchtes Essen verloren geht.

In Berlin sind wir nach einigem Warten in den Nachtzug nach Malmö gestiegen. Unser Schlafabteil teilten wir uns mit einem sehr netten Schwedischen Ehepaar, was ich gleich ausnutzte, um meine bescheidenen Schwedischkenntnisse etwas zu testen, was auch erstaunlich gut funktionierte.

Die Nacht verlief ruhig, ich denke ich habe eine recht solide Menge und Qualität Schlaf abbekommen. Maxi ging es nicht so gut dabei, sie hat wohl einen lediglich sehr leichten Schlaf gehabt.

In Malmö war ich erstmal bei Starbucks, habe aber aus Versehen Frappuchino statt Cappuchino gekauft, sodass ich dann mit 2 Frappuchinos für mich allein dastand. Glücklicherweise erinnerte sich die Verkäuferin an Maxis Namen und schenkte ihr den Kaffee gratis aus. Das nenne ich mal tollen Service.

Die anschließende Reise im X2000 nach Stockholm verlief gewohnt entspannt und ereignislos. Ich kam gut mit meinem Buch "Relentless Forward Progress", einer Art Manual zum Ultramarathon laufen vorran. In Stockholm angekommen beschlossen wir, die 4 Stunden Aufenthalt zu nutzen, um der Gamla Stan einen Besuch abzustatten. Maxi war ja noch nie in Stockholm gewesen, also fiel mir die Rolle des Fremdenführers zu. Da mein letzter Stockholm-Besuch schon eine Weile her war, musste ich mich auch öfter orientieren, vermisste mein iPhone und wunderte mich, wie Leute früher, als es noch kein GPS und Google Maps gab, in fremden Städten zurecht gekommen sind. Es hat aber auch ohne moderne Technik alles gut geklappt.

Wir gingen Richtung Gamla Stan, über den Riddarholmen, durch kleine Gässchen zur Deutschen Kirche, in die wir dann auch hereingegangen sind. Dort hat mich am meisten ein Fensterbild fasziniert, in dem vom Jesus-Baby ein heller Schein ausgeht, der auf die Personen in dem Bild einen realistischen Licht-Schatteneffekt erzeugt. Da genau dieses Fenster gerade vom Sonnenlicht durchflutet wurde, hatte die Szene eine Dynamik, die sonst nie von gemalten Bildern oder Fotos erreicht wird, sehr beeindruckend.

Anschließend sind wir in Richtung Nobelmuseum gelaufen, haben kurz aus dem Brunnen dort getrunken und die Athmosphäre des Platzes auf einer Bank sitzend genossen. Die Tour führte uns am Westufer der Gamla Stan-Insel am Königspalast vorbei wieder zum Bahnhof zurück. Dort gönnte ich mir in Voraussicht der bevorstehenden Wochen Unterernährung (keiner kann soviel Essen mitschleppen, wie er auf solchen Touren eigentlich bräuchte) ein großeß Menü beim Burger King.

Später setzten wir uns ans Gleis 4 und wartetetn auf unseren Zug. Bald gesellte sich ein junger Münchener zu uns, welcher auch nach Narvik unterwegs war und Richtung Nordkap weitertrampen wollte. Mein Gewissen konnte sich nicht ganz entscheiden, ob ich ihm die Illusion nehmen sollte, dass am Nordkap irgendetwas besonderes oder sehenswertes bis auf ein gutes Beispiel für die Abzocke von Deutschen Rentnern mit absolut gar nichts ist. Einerseits möchte ich ihn davor warnen, andererseits könnte ich ihm seine Illusionen nie so gut nehmen wie das eigentlichte Erlebnis, dort zwischen den Bussen anzukommen.

Unsere zwei Sitznachbarn im Zug, der auch bald vorfuhr, sind Engländer und auf Anhieb sehr sympathisch. Sie gehen auch Bergsteigen und haben schon in Chamonix und dem Jungfrauengebeit einige Touren unternommen, die auch auf meiner Liste stehen, allen vorran den Cosmiques-Grat auf die Aiguille du Midi. Sie wollen von Abisko aus den Kungsleden nach Süden gehen und auf dem Weg den Kebnekaise besteigen.

Der Zug ist noch ziemlich voll, ich hoffe, dass noch Leute aussteigen, damit die Nacht mit mehr Platz etwas entspannter wird. Wenn nicht ist's auch nicht schlimm, ab morgen wird in frischer Fjällluft im Hilleberg geschlafen.

27. August 2012 - Njiravbuollda

Endlich wieder gutes Wetter! Nach der epischen Bahn- und Busfahrt sind wir am Suorvadamm ausgestiegen, haben unser letztes Glas Ajvar mit unserem letzten Scheiben Brot vertilgt und haben uns auf den Weg in die Wildnis gemacht. Bei herrlichem Sonnenschein gingen wir die 3km über eine Schotterstraße über den recht hässlichen Staudamm. Auf der anderen Seite angekommen nahmen wir erst einmal kurz den falschen Weg in Richtung eines Rengärdes. Dort fielen (bei menschlichen Bedürfnissen) erst einmal eine große Schar Mücken über uns her. Nach der kleinen Pause wurde der Navigationsfehler aber korrigiert und wir liefen am Ufer des Stausees einige Kilometer durch teils gutes, teils sehr anstrengendes Gelände (Sumpf, große Steine, sich verlaufender oder gar nicht erst vorhandener Pfad).

Danach ging es aber auf einem tollen Pfad auf einer Art Grat im Hang, in offener Landschaft, vom Stausee aus den Berg hinauf, während sich das Gelände und das Tal hinter uns immer weiter öffnete. Weiter oben wurde es wieder sumpfig. Müde, wie wir von der langen Fahrt waren, sehnten wir uns nach einem Zeltplatz. Vorher musste aber noch ein Fluss gefurtet werder, nämlich der Njabbejåhkå. Es ließ sich keine einfache Stelle finden, also hieß es Schuhe aus, rein in die Vibrams. Da dies Maxis erste Furt war, und weil sie mich mit diesem Blick anschaute, bei dem ich einfach nicht nein sagen kann, trug ich ihren Rucksack auch noch hinüber, machte die Furt also 3 mal. Bis auf das kalte Wasser war es aber kein Problem.

Es fand sich wenige Meter weiter auch ein schöner Zeltplatz an einem See. Der Slugga mit seiner fast perfekt symmetrischen Kegelform thronte über uns. Maxi machte sich, während ich das Zelt aufbaute, gleich ans Kochen und es gab eine stärkende Brühe zum Aufwärmen, danach das eigentliche Abendbrot, bei mir gab es "Spicy Beef Casserole".

Nach dem Abendessen sahen wir von Westen her Regen kommen, obwohl noch die Sonne schien. Neben dem Slugga entstand ein doppelter Regenbogen, das Klacken der Spiegelreflexkamera ertönte über dem See. Bald kam der Regen dann auch bei uns an, also hieß es - rasch ins Zelt und die wohlverdienten Schlafeinheiten nachholen. Die ganze Nacht verlief ruhig, einmal wachte ich auf, als große Regentropfen lautstark auf das Zelt prasselten.

Maxi vor dem Furten des Njabbejåhkå am ersten Tag
Maxi vor dem Furten des Njabbejåhkå am ersten Tag
Regenbogen über dem Zelt am See 642m, unserem ersten Zeltplatz
Regenbogen über dem Zelt am See 642m, unserem ersten Zeltplatz
Interessante Wolke
Interessante Wolke

Der nächste Tag startete regenfrei. Wir erwärmten Wasser und saßen auf unserer Anhöhe am See und aßen warme Haferflocken, packten dann unsere Sachen zusammen und bauten zuletzt das noch nasse Zelt ab. Dabei fing es auch schon an zu nieseln, und es sollte den Rest des Tages nicht mehr aufhören. Nach dem See verlief sich der Pfad und wir nahmen mit GPS-Gerät Peilung auf einen Punkt an einem Hang auf 900m Höhe auf, ab dem man in dem sich langsam abzeichnenden Tal gut vorrankommen sollte. An dieser Stelle sei nochmal auf den ausgezeichneten Führer von Claes Grundsten hingewiesen, der uns an dieser Stelle und auch später hervorragende Dienste leistete. Das Gelände bis dahin war recht mühsam zu durchwandern. Zuerst ging es durch mäßig dichten, steinigen Wald mit kleinen Bächen, bald aber waren wir oberhalb der Baumgrenze (wir sollten die nächsten 14 Tage keinen einzigen Baum sehen) angekommen, dort war das Terrain sehr hügelig, immer wieder mussten wir durch Sümpfe und kleine Bäche gelangen.

Kein gutes Wetter!
Kein gutes Wetter!

Es war dabei sehr windig und ich hatte mit meinem Icebreaker-longsleeve, der Gore-Jacke darüber und der Gore-Hose mit kurzer Unterhose eindeutig zu wenig angezogen. Beim Laufen war das kein Problem, aber sobald wir Pausen einlegten (was bei unseren schweren Rucksäcken recht häufig passierte), kühlte ich schnell aus, wollte aber im Regen auch nicht in meinen Rucksack herumkramen und mich fast komplett ausziehen, was im Nachhinein sicherlich ein Fehler war.

Je weiter wir an Höhe gewannen, desto besser lief es sich. Maxi übernahm zwischendurch immer einmal die Führung. Gegen Nachmittag erreichten wir den Bach Sluggajåhkå, der sich eine ca 50m tiefe Kerbschlucht gegraben hatte. Nach einem steilen Abstieg in die Schlucht fanden wir eine gut markierte Furtstelle, für die wir überraschenderweise nicht einmal die Schuhe ausziehen mussten.

Nach der Furt wurde das Gelände richtig ätzend, viele dichte Weidenbüsche, dazwischen Sumpf und große, im nassen Zustand sehr rutschige Blöcke. Wir hielten nach einem Zeltplatz ausschau, aber alles Gelände, was einigermaßen eben war, war sehr sumpfig. Wir quälten uns noch ewig weiter, bis sich um 17:30, nach 8 Stunden laufen endlich ein geeigneter Platz fand.

Wir erahnten die tolle Landschaft um uns herum nur, konnten aber aufgrund der niedrig hängenden Wolken nichts davon wirklich sehen. Erschöpft bauten wir das Zelt auf, kochten warme Getränke und das Abendessen.

In der darauf folgenden Nacht brach ein (im Vergleich zu dem was uns noch erwarten sollte wirklich milder) Sturm los, die Temperatur sank und es schneite aufs Zelt. Am nächsten Morgen war ans Weiterwandern nicht zu denken. Es lag zwar nur wenig Schnee, aber der Wind war sehr stark und es regnete und schneite ununterbrochen. Wir beschlossen also (einstimmig), einen Schlechtwettertag einzulegen und vertrieben uns die Zeit mit Lesen, Erzählen und Kuscheln (leider ließen sich die Schlafsäcke nicht koppeln). Die ganze Zeit im Zelt herumzusitzen und sich über das schlechte Wetter Gedanken zu machen motiviert natürlich auch nicht gerade.

Umso toller war es dann, als gegen Nachmittag die Sonne kurz durchbrach und Maxi beim Austreten nach dem Abendbrot stolz von blauem Himmel berichtete. Draußen angekommen nahm auch ich die wilden Bergmassive um uns herum zum ersten mal wahr und die deprimierende Stimmung war wie weggeblasen.

Zeltplatz nach der Wetterbesserung
Zeltplatz nach der Wetterbesserung

So frisch motiviert beschlossen wir, uns noch etwas zu bewegen und den Hang Njiravbuollda, an dem sich unser Zeltplatz befand, heraufzugehen, um den Sonnenuntergang zu sehen. Wir stiegen bis auf ca 1300m auf, die Landschaft wurde dort oben immer arktischer und die Tiefblicke ins Tal immer schöner. Aufgereiht am Horizont sahen wir die Gipfel des Sarekmassivs, in näherer Umgebung einen weniger hohen Berg, um den aber von der untergehenden Sonne orange getönte Wolken flossen. Das Panorama war wunderschön, im Vordergrund die schneebedeckten Felsen. Was für ein Abschluss für einen Schlechtwettertag!

Licht und Wolken
Licht und Wolken

28. August 2012 - Bierikjavvre

Schon wieder ein Schlechtwettertag! Gestern bin ich sehr früh aufgewacht. Die Nacht war klar und kalt gewesen, auf dem Zelt und den umliegenden Wiesen war Reif, auf den Wasserlöchern und in meiner Siggflasche Eis. Was mir beim Schreiben dieses Eintrags noch nicht klar war: mein Schlafsack Cat's Meow von The North Face wärmte nur noch sehr schlecht, ab dieser Nacht sollten die Nächte wo ich nicht frierend aufwachte zur Ausnahme gehören.

Gerade als ich meinen Kopf aus dem Zelt streckte, um nach dem Wetter zu sehen ging die Sonne auf, ich sah den ersten Strahl des Tages am Horizont. Als ich wenige Minuten später vor dem Zelt stand (menschliches Bedürfniss), war auch schon ein wenig Wärme zu spüren. Ich öffnete das Zelt weit (Maxi schlief noch friedlich) und begann damit, die von den vorherigen Regentagen nassen Ausrüstungsgegenstände feinsäuberlich an den Osthang neben das Zelt zu legen, um sie ein wenig zu trocknen.

Trocknen der Ausrüstung mit dem markanten Berg Bierikbakte im Hintergrund
Trocknen der Ausrüstung mit dem markanten Berg Bierikbakte im Hintergrund

Der Himmel war strahlend blau, keine Wolke war zu sehen. Ich weckte Maxi irgendwann, mit der Einladung, sich in die Sonne zu legen und dort weiter zu schlafen. Stattdessen stand sie gleich auf, wir bereiteten das Frühstück, packten die ganzen mitlerweile gut getrockneten Sachen in unsere Rucksäcke und waren sehr pünktlich um 8 schon auf dem Trail.

Dieser war nach einem kleinen Abstieg weiter ins Tal hinab auch gut zu finden und zu laufen. Leider zogen jedoch zunehmend von Osten dunkle Wolken heran und unsere Hoffnung auf einen reinen Sonnentag verebbte schnell. Der Bierikbakte und das Ähpár-Massiv stemmten sich aber wacker gegen die Wolken und waren die ganze Zeit gut sichtbar, es entstanden viele schöne Fotos.

Echte Engelwurz, Angelica officinalis
Echte Engelwurz, Angelica officinalis
Wolken im Ähpár-Massiv
Wolken im Ähpár-Massiv

Unser erstes Ziel war die Brück über den Guhkesvákkjåhkå, die wir auch ziemlich schnell erreichten. Von dort aus boten sich uns zwei Varianten für den weiteren Weg, entweder wir gingen um den Bergrücken Vuojnesvárásj herum, oder wir überstiegen ihn, was einen Anstieg von 200 Höhenmetern bedeutete, aber einige Kilometer an Weg ersparte. Aufgrund des noch guten Wetters entschlossen wir uns für den Pass.

Auf der Wanderung zur Brücke über den Guhkesvákkjåhkå
Auf der Wanderung zur Brücke über den Guhkesvákkjåhkå

Der Aufstieg zum Pass war steil, wir entdeckten mehrere Bilderbuchzeltplätze und auf dem Pass einen kleinen See mit einem hervorragenden Ausblick auf den Bierikbakte. Dort oben holte uns allerdings die Schlechtwetterfront ein, die wir seit mehreren Stunden schon auf uns zukommen sahen und wir beeilten uns, das Ufer des Sees Bierikjávvre zu erreichen, wo ich jetzt auch immer noch im Zelt liege und diese Zeilen schreibe.

Es ging in angenehmem Gelände immer am Hang entlang, stetig absteigend. Wir sahen mehrmals andere Wanderer im Tal und mit fortschreitender Stunde wurden unsere Beine immer schwerer, wir sehnten uns nach einem Zeltplatz.

Die Landschaft war nichtsdestsotrotz atemberaubend. Der See lag von Gletschersedimenten tiefblau gefärbt vor uns, zur rechten Seite befanden sich steile Berghänge und zur RLinken der Bierikvárásj, der 200m steil im Tal aufragte und über dem Fluss Bierikjåhkå throhnte. Wir nahmen nicht den erstbesten Zeltplatz, der uns zu nahe am Weg lag, sondern gingen noch ein paar hundert Meter weiter, um an einer Wiese am Hang unser Lager aufzuschlagen.

Das Wetter war wechselhaft zu diesem Zeitpunkt. Zum Abendessen gab es eine Riesenportion Sahne-Curry mit Früchten und Reis. Als wir im Zelt lagen, ging der Regen schon wieder los und es wurde stürmisch. So blieb es auch die ganze Nacht hindurch und heute Morgen war ans Weitergehen nicht zu denken. Der Wind bließ ziemlich stark und immer wieder prasselten uns die Tropfen aufs Zelt. Es wurde also ein weiterer Schlechtwettertag im Zelt verbracht. Diesen Luxus können wir uns ja aufgrund unseres reichlichen Proviants gönnen.

Ich vertrieb mir die Zeit mit schlafen und lesen, Krakauers "Where Men Win Glory" ist mittlerweile ausgelesen und wie immer exzellent recherchiert und geschrieben. Als nächstes werde ich wohl "Children of the Sky" von Vernor Vinge lesen.

Gegen Nachmittag wurde der Wind dann ruhiger und auch der Regen ließ nach. Es war aber auch schon zu spät, um das Lager abzubauen und weiterzulaufen, also beschlossen wir stattdessen, noch eine kleine Tagestour auf den Bierikvárásj zu unternehmen. Das an sich ist eigentlich kein großen Problem (die Rückseite des Berges ist nicht sehr steil), dummerweise steht er auf der von uns aus falschen Seite des Flusses Bierikjåhkå, einem recht stattlichen Flusses, den wir für diese Unternehmung durchwaten mussten.

Wir gingen also mit leicher Tagesausrüstung wieder einige wenige Kilometer zurück nach Osten, während das Wetter immer weiter aufklarte. Die "Watstelle", die in Grundstens Führer beschrieb, bestand aus einer Kette von größtenteils über, manchmal jedoch auch unter der Wasseroberfläche liegenden Steinen von teils beachtlicher Größe, über die es zu balancieren galt.

Mir fiel das relativ leicht, allerdings gab es Stellen, an denen das Wasser zwischen den Steinen tief und die Strömung stark war, dort gab es eine moralische Komponente, weswegen Maxi auch einige Probleme mit ihrem inneren Schweinehund hatte. Zu ihrer Verteidigung muss hier gesagt werden, dass dies die erste derartige Unternehmung für sie war und sie sich im Endeffekt tapfer über jegliche Hürden hinwegsetzte, ohne jemals vor Mühen, Strapazen und Gefahren zurückzuschrecken.

Nach einigem Probieren schaffte sie es dann, sich zu überwinden, die entscheidenen Schritte zu tun und es ging ihr immer leichter von der Hand. Am anderen Ufer angekommen begannen wir dann den Aufstieg auf den Berg, langsam auf seiner flachen Rückseite langgehend. Ohne Rucksäcke ging das mit dem Aufsteigen auch wesentlich besser, außerdem ließ sich immer mal wieder die Sonne blicken. Oben angekommen, bot sich uns ein Panorama aus den umliegenden Gletschern, die sich türkisblau auf beiden Seiten des Tales in dieses ergossen, dem Bierikjávvre, der mit meinem Zelt an einem Ufer zwischen den steilen Wänden eingezwängt dazwischenlag und dem Bierikjåhkå mit vielen schön gefärbten Mäandern.

Auf dem weitläufigen, komplex strukturierten Gipfelplateau fanden wir auch Moltebeeren, die genau die richtige Reifestufe hatten und vorzüglich schmeckten.

Blick von der Abbruchkante des Bierikvárásj
Blick von der Abbruchkante des Bierikvárásj
Gipfelfoto
Gipfelfoto

Beim Rückweg verlief das Furten nicht mehr ganz so einfach, Maxi verlor das Gleichgewicht und steiß einen lauten Schrei aus, als sie langsam wegrutschte. Ich hielt sie aber fest, sodass außer ein paar Schreckenstränen nichts passierte. An der Schlüsselstelle rutschte ich wiederrum ab, stand mit beiden Beinen bis zu den Oberschenkeln im Wasser. Ich kletterte aber schnell auf den nächsten Felsen und meine Schuhe wurden nur leicht nass. Mein unfreiwilliger Abgang nahm dann allerdings den Rest von Maxis Nervenkostüm mit ins Wasser und sie beschloss nach einigem Probieren, lieber die Hosen auszuziehen und die Schlüsselstelle mit Vibrams watend zu umgehen.

Maxi beim waten mit den Vibrams
Maxi beim waten mit den Vibrams

Zu allem Überfluss schwamm beim Ausziehen dann noch eine Socke davon, worüber wir aber, am anderen Ufer angekommen, schon wieder herzlich lachen konnten. Der Magen knurrte auch schon, was uns antrieb, schnell das Zelt zur erreichen. Auf dem Weg fand sich dann kurioserweise noch eine Englische Zeitung, in trockenem Zustand wie dafür gemacht, unsere Schuhe damit auszustopfen. Auch das Wetter war sehr angenehm, einer der wenigen warmen und windstillen Abende, die es uns erlaubten, noch bis nach Sonnenuntergang vor dem Zelt zu sitzen und die Szenerie auf uns wirken zu lassen.

Zeltplatz am Bierikjávvre
Zeltplatz am Bierikjávvre

30. August 2012 - Skárjá, über dem Rapaselet

Der Tag begann, wie wir es mittlerweile schon gewohnt waren, mit Regen. Es kam aber für uns nicht in Frage, einen weiteren Schlechtwettertag im Zelt zu verbringen, sodass uns einzelne Sonnenstrahlen leicht zum Aufbruch überreden konnten. Der Weiterweg sollte uns zuerst am westlichen Ufer des Bierijávvre entlang zur Piela-Ebene, dann weiter durch das obere Rapadalen zum Skarja, dem Herzen des Sareks führen. Der Weg am Ufer entlang lief sich sehr gut, wir waren schon so sehr an ständig schlechtes Wetter beim Laufen mit den Rucksäcken gewohnt, dass es uns trotz Nieselregen und starkem Wind nicht so schlimm vorkam, da sich die Sonne immer wieder als Trost einen Weg durch die lockere Wolkendecke bahnte.

Die Piela-Ebene war sehr schön, sowohl landschaftlich als auch aus der Perspektive des auf angenehmen Untergrund erpichten Wanderers. Wir passierten ein rotes Hilleberg Jannu-Zelt (das gleiche Modell nenne ich auch stolz mein Eigen), wohl von Wanderern die anders als wir einen Schlechtwettertag einlegten.

Im Rapadalen stießen wir dann auf den mir schon von einer früheren Sarektour bekannten Pfad, der sich weit über dem Tal am Hang entlang Richtung Skárjá windet. Dazwischen lag allerdings noch der einstweilen tückische Gletscherbach Tjågnårisjågåsj. Dieser war aber nicht schwer zu durchfurten, ein paar Meter durch eiskaltes, knietiefes Wasser und schon hatten wir dieses Hindernis überwunden, glücklicherweise steigt der Wasserspiegel wohl eher bei hohen Temperaturen als bei Regen an.

Maxi beim Durchwaten des Tjågnårisjågåsj
Maxi beim Durchwaten des Tjågnårisjågåsj

Der Rest des Weges bis nach Skárjá war gut ausgetreten, manchmal etwas sumpfig aber im großen und ganzen kamen wir flott voran und am Nachmittag erreichten wir bei immer schlechter werdendem Wetter die Mikkastugan, eine kleine, unbewirtschaftete Schutzhütte, die einzige für Wanderer zugängliche Hütte im Sarek. Dort war ein ständiges Kommen und Gehen von Wanderern, sodass wir, immernoch die Einsamkeit suchend, schnell den Weiterweg antraten. Wir gingen allerdings nur ein paar Kilometer weiter, denn Regen und Wind wurden stärker und das Gelände am Hang oberhalb des Rapaselet beschwerlicher.

Wir bauten das Zelt auf einem Absatz im Hang auf, die Aussicht war atemberaubend, auf der anderen Seite des Deltas gab es einen über tausend Meter hohen Hang, über dessen Rand sich Gletscher und Bäche ergossen. Maxi hatte aufgrund der ständigen Feuchtigkeit Sorge um ihren sehr hochwertigen Daunenschlafsack, der sich jedoch im Laufe der weiteren Tour als sehr widerstandsfähig gegen die schwierigen Bedingungen behauptete.

Mücke :)
Mücke :)

31. August 2012 - Hügel im Állgavágge

Es regnete die gesamte Nacht hindurch sehr stark und ich begann, mir wegen der Bedingungen Sorgen zu machen. Langanhaltender Regen kann in der Hochgebirgsumgebung, in der wir uns befanden, selbst kleine Bäche zu unüberwindlichen Hindernissen anschwellen lassen und ein morgendlicher Blick auf den Hang auf der anderen Talseite zeigte hunderte Rinnsaale, die sich schäumend über die Felsen ergossen. Der Wasserfall oberhalb des Rapaselet war selbst über die Kilometer, die ihn von uns trennten zu hören.

Nichtsdestsotrotz packten wir stoisch unsere Sachen, verrichteten notwendige, wenn auch bei diesen Bedingungen unangenehme Tätigkeiten wie Abwaschen und Kochen und brachen ohne Hoffnungen auf Wetterbesserung in Richtung Guopervágge auf. Unsere Stimmung war wirklich recht bedrückt zu diesem Zeitpunkt, wir redeten nicht viel, sondern konzentrierten uns auf das anstrengende Gelände, das immer wieder zwischen dichtem Gestrüpp, rutschigem Geröll und sumpfigem Untergrund wechstelte. Eine ständige Freude waren uns jedoch die Pausen, bei denen wir unsere Tagesrationen von Schokolade und in meinem Fall Dörrfleisch verzehrten. Wir merkten von Tag zu Tag mehr, wie sich unsere Körper an die stetige Belastung gewöhnten und jede Form der Energiezufuhr mit erhöhter Kraft und besserem Gemüt belohnten.

Bei eben einer solchen Pause erspähten wir aber kleine Löcher in der Wolkendecke und die Temperatur stieg merklich. Im selben Maß, wie der Hang, den wir querten weniger steil wurde, ließ auch der Wind nach und die dichte Wolkendecke zog immer mehr auf. Unser nächstes Etappenziel war die Furt über den Fluss Guoperjåhkå, die wir schon in der Ferne erkennen konnten. Der Weg führte über einfach zu begehende Wiesen, die wir bald im Sonnenlicht durchwanderten.

Nahe der Furt, am Eingang des Álggavágge in das Guopervágge beschlossen wir dann, die unverhoffte Schönwetterperiode zu nutzen, um unsere Kleidung zu trocknen und uns im eisig kalten Guoperjåhkå das erste mal auf der Wanderung ausgiebig zu waschen. Wir durchwateten einen flachen Arm des Flusses und tauchten unsere Körper in das Wasser, wuschen Haut und Haare und setzten uns zum Trocknen in die Sonne. Von unserem Stimmungstiefpunkt am Morgen waren wir trotz blauer Lippen wieder weit entfernt!

Die anschließende Furt des Flusses war trotz seines Hochwassers einfach, es ging knietief durch viele Arme auf angenehmen Schotterbänken und bald hinauf ins Álggavágge. Dort wartete das erste Mal wirklich einfach zu begehendes Gelände auf uns, die Schotterbänke des Gálmmejåhkå ließen die Kilometer nur so dahinschmelzen, wir genossen jeden davon, machten in der Sonne auf einer Anhöhe über dem Fluss Pause und nahmen die Szenerie in uns auf.

Maxi durchwatet den Guohperjåhkå
Maxi durchwatet den Guohperjåhkå

Bald erreichten wir einen Abschnitt des Tales, der im Wanderführer als "größtes Fußballfeld des Planeten" beschrieben wurde, und das nicht zu Unrecht. Ablagerungen des Flusses hatten oberhalb des Zuflusses des Gletscherflusses Áhkatjåhkå eine komplett Ebene, von niedrigem Gras bewachsene Fläche entstehen lassen, die sich wie eine friedliche Insel zwischen den Gletscherbehangenen steilen Bergwänden vor uns ausstreckte. Die Beliebtheit des Álggavágges bei vielen Wanderern, von der ich schon öfter gehört hatte wurde uns deutlich vor Augen geführt. Auf einem kleinen Hügel schlugen wir unser Lager auf.

Von hier aus hatten wir auch, auf unseren zurückgelegten Weg blickend, eine Art Tunnelblick direkt auf das Sarekmassiv und den sich ins Tal schlängelnden Gletscher Mikkajegna.

Eingang des Álggavágge
Eingang des Álggavágge
Maxi wärmt sich an ihrer Tasse
Maxi wärmt sich an ihrer Tasse

1. September 2012 - Hügel im Álggavágge

Wir erwachten zu einem strahlend blauen Himmel und beschlossen, das gute Wetter zu nutzen, um eine Tagestour ins nahe gelegene Áhkavágge zu nutzen, einem Kerbtal, dass sich tief ins Ålkatjmassiv einschneidet, um dann am Gletscher Áhkajegna zu enden, der einen Pass ins Sarvesvagge bildet.

Wolken beim Eingang des Áhkávágge
Wolken beim Eingang des Áhkávágge

Wir gingen also los, ein Stück unserem Weg vom Vortag folgend, dann Steil in die Berge abbiegend. Auf dem Weg sahen wir noch andere Wanderer, die gerade ihr Zelt abbauten. Dies sollten für 12 Tage die letzten Menschen sein, die uns begegneten. Es war angenehm warm und wir hatten Spaß daran, einmal ohne die schweren Rucksäcke unterwegs zu sein.

Den Bach Áhkatjåhkå, der ein steiles Tal bildete, überwanden wir bei einem großen Schneefeld, das uns beim Überqueren ein recht mulmiges Gefühl in der Magengegend bescherte. Danach querten wir mehrere Stunden den steilen Westhang oberhalb des Tales, um den Gletscher zu vermeiden, da wir keine Steigeisen und Eispickel bei uns hatten. Das Gehen in diesem Gelände wurde immer anstrengender und gefährlicher, die großen Steine waren teilweise lose, immer wieder rutschten sie unter unseren Füßen einige Zentimeter den Hang herunter und wir mussten aufpassen.

Áhkajegna
Áhkajegna

Das Ziel unserer Wanderung war ein unbenannter See auf 1410m höhe nordöstlich des Kanalberget. Claes Grundsten schwärmt in seinem Führer sehr von diesem See, der sich zwischen steilen Felswänden befindet und in dem der sehr interessante Gletscher Jågåsjgaskajegna kalbt. Dieser Gletscher ist einer der wenigen Plateaugletscher des Sareks. Plateaugletscher unterscheiden sich von den häufiger vorkommenden Talgletschern dadurch, dass sie nicht von Fels begrenzt sind, sondern einen höchsten Punkt aus Eis besitzen, der eine Eisscheide bildet von der aus das Eis zum Rand des Gletschers fließt. Dort oben öffnete sich eine eigentümliche Landschaft vor unseren Augen, über der sehr flachen Oberfläche des Gletschers waren, wie Nunatait die umliegenden Berge aufgereiht, die dazwischenliegenden Täler blieben dem Blick verborgen. Es entstand ein Eindruck, den man sonst nur auf großen Eiskappen in Grönland oder auf Island erwartet.

Aufgrund der späten Stunde sahen wir von einer Besteigung des Kanalberget über seinen steilen Nordgrat ab und begnügten uns damit, auf einer schneebedeckten Landzunge am Rand des Gletschers entlangzugehen und diesen unwirklichen Ort auf uns einwirken zu lassen.

Im See selbst trieben einige kleine Eisberge. Bald jedoch mussten wir uns auch schon wieder an den Abstieg machen. Da der Áhkajegna im unteren Bereich flach, aper- und spaltenfrei war, beschlossen wir statt des steilen Hangs unseres Hinweges über dessen Zunge zu gehen, was uns außerdem am großen Gletschertor vorbeiführen würde. Das Gehen auf dem Gletscher ohne Steigeisen war trotzdem nicht so einfach, wir mussten stetig aufpassen, dass wir nicht auf dem Eis ausrutschten. Mir fiel das wesentlich leichter als Maxi. Ich schwor mir, für die nächste Tour das zusätzliche Gewicht der Steigeisen in Kauf zu nehmen.

Das Gletschertor war sehr beeindruckend und wir machten viele Fotos, es fand sich auch eine vor Steinschlag geschützte Stelle (das Gletschertor traf zufällig mit einer Mittelmoräne zusammen), an der man ein paar Meter ins Innere des Gletschers hineingehen konnte, aus dem sich der Áhjatjåhjå schäumend ergoss. Maxi war von dieser ihr unbekannten Welt total fasziniert und trotz des gewaltigen Respekts vertraute sie mir, die Bedingungen richtig einzuschätzen und nahm sich jeden Rat zu Herzen, den ich ihr gab. Sie lernte schnell, sich sicher auf dem komplizierten Untergund zu bewegen.

Wir erreichten auf leichterem Weg als beim Hinweg spät wieder unser Zelt und fielen erschöpft und zufrieden mit diesem tollen Tag voller gewaltiger Eindrücke bald in einen tiefen Schlaf.

Sarektjåhkkå-Massiv vom Álggavágge aus
Sarektjåhkkå-Massiv vom Álggavágge aus
Steine im eisenhaltigen oberen Gálmmejåhkå
Steine im eisenhaltigen oberen Gálmmejåhkå

2. September 2012 - unteres nördliches Niejdariehpvágge

Der Tag begann ohne Regen, aber mit reichlich Wind und bedecktem Himmel. Unser Weg führte uns weiter durchs schöne Álggavágge mit dem Ziel, das Niejdariehpvágge zu erreichen, um je nach Bedingungen an diesem oder am nächsten Tag über einen hohen Pass auf 1140m den Übergang ins Sarvesvágge zu schaffen.

Der Wind machte aber das Vorankommen beschwerlich, obwohl er von hinten kam und wir uns nicht dagegen stemmen mussten, nahmen uns die Böen doch oft das Gleichgewicht, da unsere großen Rucksäcke eine große Angriffsfläche für unverhoffte Windstöße boten. Mehrmals mussten wir mit Hilfe der Stöcke Stürze abfangen, einmal jedoch drehte ich mich um und sah, wie Maxi filmreif von einem Hügel geweht wurde. Ich erschrak ziemlich stark, fand sie aber wohlauf und ob ihres unverhofften Abgangs heftig lachend.

Frosch
Frosch

Langsam ging auch der gut zu laufende Untergrund in sumpfige und von dichtem Weidengestrüpp bewachsene Abschnitte über und unser Tempo reduzierte sich, wir wünschten uns, die Gamaschen früh angezogen zu haben statt sie, vom guten Gelände der letzten Etappe getäuscht, tief im Rucksack verstaut zu haben.

Als wir so den Eingang des Niejdariehpvágge erreichten und sich ein geschützter Zeltplatz vor uns auftat, zögerten wir nicht lange und bauten das Zelt im lauten Rauschen des Baches Niejdariehpjågåsj auf.

Zeltplatz im Niejdariehpvágge
Zeltplatz im Niejdariehpvágge

3. September 2012 - Sarvesvagge

Trotz Sonnenschein zum Frühstück fing es beim Abbau des Zeltes an zu regnen und sollte unser Begleiter bleiben. Trotz der gelegentlichen Schauer, die sich im Laufe des Tages über uns ergossen, empfanden wir die Wanderung an diesem Tag als sehr schön. Von unserem Zeltplatz aus stiegen wir den Pass hinauf, der uns mit bizarren, horizontal geschichteten Felsformationen und gut zu begehenden Geröllfeldern beeindruckte. So dauerte es nicht lange bis zur Wasserscheide des Tals, von der aus wir unseren Weiterweg im Sarvesvágge und auch schon die beindruckende Hochebene des Luohtoláhko erspähten.

Der Abstieg ins Sarvesvágge begann erst einfach über ein System von Schneefeldern, unter denen immer wieder schönes blaues Eis schimmerte, hier waren vor nicht allzu langer Zeit bestimmt auch einmal Gletscher.

Wir nahmen nach kurzem Kartenstudium, statt wie im Führer beschrieben dem Bach zu folgen, eine steile Abkürzung indem wir einen steilen Hang hinunter ins Tal abstiegen und uns so einige Kilometer ersparten. Das Sarvesvágge war ähnlich schön wie das Álggavágge, aber viel wilder, mit steileren, höheren Felswänden, die es begrenzten. Außerdem befanden sich auf dem Talboden noch Schneefelder und der Untergrund war abwechslungsreich, nie so anstrengend zu gehen, dass es der Wanderfreude abträglich war, aber auch nie besonders einfach.

Falke im Sarvesvágge
Falke im Sarvesvágge

Bald waren wir an der Wasserscheide des Tals angelangt, es wurde erst sumpfig, dann angenehm zu gehen. Wir erreichten einen zwar steinigen, aber ansonsten wunderschönen Zeltplatz am Eingang des Jiegnavágge. Wir hatten von da einen wunderschönen Ausblick auf das westliche Sarvesvágge und den Padjelanta, wo die Sonne gerade unterging. Die gegenüberliegende Talseite war von Gras bewachsen und von tiefen Rillen durchzogen, die in diesem Licht besonders unwirklich aussahen.

Glockenblumen am Zeltplatz
Glockenblumen am Zeltplatz

4. September 2012 - unterhalb des Eisfalls des Svenoniusgletschers

Das Wetter beim Erwachen sah nicht gut aus. Trotzdem hatte ich ein gutes Gefühl und überzeugte Maxi nach reichlicher Diskussion, doch das Lager abzubrechen und das Jiegnavágge hinaufzugehen. Das sollte sich als ziemlicher Fehler herausstellen.

Der Weg ins Jiegnavagge begann sehr beschwerlich. Es ging zuerst an einem sehr steilen Hang des tief eingeschnittenen Canyons des Baches entlang. Da der Hang immer steiler wurde, und sich auf der anderen Seite des Tales flaches Gelände öffnete, mussten wir irgendwie auf die andere Seite des Canyons gelangen. Bald fand sich eine Stelle wo man über rutschige Felsen abklettern konnte. Dort mussten wir mühsam den vom einsetzenden Regen angeschwollenen Fluss furten, um genauso beschwerlich auf der anderen Seite des Canyons wieder hinaufzukraxeln.

Währenddessen wurde der Wind immer stärker. Obwohl es sich nun auf der anderen Seite des Tales leichter lief, begann um uns herum ein Sturm zu wüten. Umkehren und wieder durch den Canyon und Fluss zu waten kam nicht in Frage, also arrangierten wir uns mit unserer Situation und gingen stoisch weiter das Tal hinauf. Wir sahen schon die Stelle vor uns, an der sich das Tal gabelt und wir den linken, höheren, steileren Abzweig nehmen mussten. Dieser sah von diesem Punkt aus sehr abweisend aus. Wir mussten rechts eines unter einem Schneefeld verlaufenden Bach über Geröll sehr steil aufsteigen. Der Regen hatte sich mittlerweile weningstens in Schnee verwandelt, sodass wir nicht mehr so stark durchnässt wurden.

Zwischendurch wehten auch immer wieder Wolkenfetzen über uns hinweg, sodass unsere Sicht vermindert wurde und die Navigation somit erschwert war. Als wir den Pass erreicht hatten, verschlechterte sich die Sicht weiter, wir waren in einer unwirtlichen Landschaft aus Schnee und blankem Fels, die uns keinen Schutz vor den Elementen bot. Glücklicherweise schneite es noch nicht so stark. Ich wusste aus einem Reisebericht, den ich gelesen hatte, dass es Zeltplätze unter dem Eisfall des Svenonious geben sollte. Als die Nebelschwaden kurz aufrissen, erspähte ich kurz den Eisfall bedrohlich aufragend in der Ferne und wir probierten ziemlich orientierungslos, darauf zuzugehen.

Immer weiter verschlechterten sich die Sichtbedingungen, der Wind hatte wenigstens nachgelassen. Es ging über verschiedenste Moränen und trügerische Schneefelder mit darunter rauschenden Bächen. Schließlich fanden wir, mit nur 10m Sicht um uns herum einen ebenen Flecken und wir waren sehr froh, hier das Zelt aufbauen und uns darin zurückziehen zu können. Es war immernoch sehr kalt.

Nach dieser Anstrengung gönnten wir uns einen ausgedehnten verspäteten Mittagsschlaf und widmeten uns dem Tagebuchschreiben und Lesen. Am frühen Abend bemerkten wir dann, dass sich der Wind legte und Teile der Wolkendecke langsam aufklarten. Wir stiegen aus dem Zelt und nahmen zum ersten mal unsere Umgebung wahr, denn der Wind hatte den ganzen Nebel davongeweht.

Wir wurden an die Worte Claes Grundstens errinnert, der diese Stelle als "betörendes Hochgebirgsmilleu" bezeichnete. Das enge Tal, durch das wir im Nebel gewandert waren, war durch steile Felswände begrenzt. Wo es sich öffnete, flossen Gletscher fast bis auf den Talboden hinunter. Nur einige hundert Meter vom Zelt entfernt befand sich die Abbruchkante des Eisfalls, viele Meter große Stücke Eis waren dort übereinandergestapelt und schienen jeden Moment hinunterfallen zu wollen. Wir hatten, ohne es zu merken, an einem kleinen See unser Lager aufgeschlagen. Ein breit gefächerter Bach floss durch ein Bett aus feinen Gletschersedimenten zum Luohtotjåhkå hinunter, der sich teils schäumend steil, teils von mächtigen Schneefeldern bedeckt den Weg hinunter ins Njoatosvágge suchte.

Noch beeindruckender war allerdings der Blick über das in der ferne flach daliegende Luotholáhko, hinter der die Gipfel des Pårte-Massivs steil aufragten. Ich nahm sofort die Kameratasche, zog meine Schuhe an und machte mehrere Stunden lang hunderte Fotos im immer schöner werdenden Abendlicht, während die immernoch von den Strapazen des Tages erschöpfte Maxi sich um das Abendbrot kümmerte. Wir schliefen bei sternenklarem Himmel ein und stellten uns einen Wecker auf 1:30, in der Hoffnung, dann Nordlichter zu sehen, was sich aber leider als nutzlos herausstellte.

Panorama des Pårte-Massivs
Panorama des Pårte-Massivs
Panorama unseres Zeltplatzes unterhalb des Eisfalls des Svenonius-Gletschers
Panorama unseres Zeltplatzes unterhalb des Eisfalls des Svenonius-Gletschers
HDR mit Zelt und Tsähkkok
HDR mit Zelt und Tsähkkok
HDR mit Tsähkkok und Jiegnatjåhkkå
HDR mit Tsähkkok und Jiegnatjåhkkå
Luohttojåhkå, Louhttoláhko und Pårte-Massiv im Sonnenuntergang
Luohttojåhkå, Louhttoláhko und Pårte-Massiv im Sonnenuntergang
Panorama des Pårte-Massivs im Sonnenuntergang
Panorama des Pårte-Massivs im Sonnenuntergang
Eisfall des Svenonius-Gletschers und Ryggåsberget
Eisfall des Svenonius-Gletschers und Ryggåsberget
HDR mit Tsähkkok-Massiv
HDR mit Tsähkkok-Massiv
Noch ein HDR des Tsähkkok
Noch ein HDR des Tsähkkok
Pårte-Massiv
Pårte-Massiv

5. September 2012 - unterhalb des Eisfalls des Svenonius-Gletschers

Der Tag heute begann windig, stürmisch und nebelig. Wir waren uns einig, dass wir bei diesen Bedingungen einen wohlverdienten Ruhetag einlegen wollten. So lagen wir im Zelt, schonten unsere Muskeln und probierten, uns mit der Tagesration etwas aufzupebbeln. Die Anstrengung der letzten Tage machte sich nämlich auch in stark gesteigertem Appettit bemerkbar und immer häufiger drehten sich unsere Unterhaltungen darum, was die Zivilisation doch für kulinarische Köstlichkeiten für uns bereithalten würde, ein Anzeichen dafür, dass unsere Ernährung zwar ausgewogen, jedoch nicht dem stark erhöhten Kalorienbedarf des Bergwanderers mit schwerem Gepäck gewachsen war.

Währenddessen nahm der Wind immer weiter zu und verwandelte sich in einen regelrechten Sturm. Gegen Nachmittag flatterte das Zelt nur so im Wind, es wurde, obwohl sich unsere Köpfe nur in 30cm Entfernung voneinander befanden, immer schwerer, sich zu verständigen.

Wasser fürs Abendbrot holten wir nicht aus dem nahegelegenen Fluss, sondern stellten Kochtöpfe unter die luvseitige Zeltwand, um Tropfen und zunehmend auch Eisstücke zu sammeln und so einen ungemütlichen Ausflug aus unserer windgeschützten Behausung zu vermeiden.

Die darauf folgende Nacht war sehr unangenehm, der Sturm wurde immer stärker und ich begann mir Sorgen um die Stabilität des Zeltes zu machen. Das Zelt an sich sollte jeglichen Stürmen standhalten können, wird das Modell doch bei härtesten Bedingungen z.B. bei Himalaya-Expeditionen verwendet, aber zwei ungünstige Faktoren verminderten seine Wetterfestigkeit. Zum einen habe ich beim Aufbau im windstillen Nebel am Vortag nicht auf die Windrichtung eines eventuellen Sturms geachtet und das Zelt mit der Längsseite zum Wind gestellt, wodurch es ihm eine wesentlich größere Angriffsfläche bot und zudem noch der Eingang im Luv lag. Außerdem bestand der Untergrund unter dem Zelt aus feinem Gletschersand, der zwar fest gepresst war, jedoch wenn die starken Böen sich gegen die Zeltleinen und damit auch gegen die im Sand steckenden Heringe stemmten, nachgab.

Für diesen Fall mit Ohropax ausgerüstet schliefen wir jedoch trotzdem erst einmal ein, in der Nacht wurde ich jedoch von einem feuchten Gefühl auf meinem Gesicht wach. Das Zelt bog sich stark durch, der Sturm tobte mit orkanartiger Kraft und mir war klar, dass sich einige Heringe von den Abspannleinen gelöst hatten. Ich weckte also Maxi, die mir bei eventuellen Problemen helfen sollte und begab mich hinaus in das Inferno. Man konnte dort nicht aufrecht stehen. Ich begann also, im Schein meiner Stirnlampe, mich gegen den Wind stemmend, eher kriechend als gehend, den Zustand des Zeltes zu begutachten. Alle Heringe auf der Luvseite des Zeltes waren herausgerissen und bei diesen Bedingungen nicht auffindbar (als sich der Sturm wieder legte, fand ich aber alle wieder, teils 20m vom Zelt entfernt). Ich nahm also einzeln die Heringe aus der Leeseite des Zeltes, befestigte die Zeltleine daran und begann, große, halb aus dem Sand ragende Felsbrocken auszubuddeln, um die Heringe damit zu befestigen und die Zeltleinen festzuspannen.

Nach 20 Minuten war ich mit der Stabilität zufrieden und kehrte durchgefroren wieder in meinen Schlafsack zurück. Noch lange lag ich wach im Zelt, die Müdigkeit war vom Adrenalin wie weggeblasen.

6. September 2012 - See Bálgatjávrásj

Am nächsten Morgen war es auch noch stürmisch, aber die brutale Gewalt der letzten Nacht hatte sich gelegt. Dafür war die Temperatur merklich gefallen und ein Eispanzer hüllte unser Zelt auf der Außenseite ein.

Die Befestigungen der letzten Nacht hatten exzellent gehalten, das Zelt stand bombensicher. Wir kochten im Zelt heißes Wasser für unsere Haferflocken und warteten auf eine Wetterbesserung. Bei mir stellte sich langsam Langeweile ein, da die Batterien meines Ebook-Readers nach vier gelesenen Büchern erschöpft waren. Ich fragte Maxi, ob ich ihr einziges mitgebrachtes Buch, "Into Thin Air" von Jon Krakauer, lesen dürfe. Ich hatte es vor Jahren schon einmal verschlungen und dachte mir, dass es wohl besser sei als ein weiteres Mal den kompletten Grundsten-Führer zu lesen. Ich kannte ihn bereits fast auswendig. Da Maxi allerdings auf die gleiche Idee kam das Buch anzufangen, (sie hatte es vorher ungelesen durchs Fjäll getragen) wurde nach jedem Kapitel neu verhandelt, wer weiterlesen durfte.

Erst am späten Nachmittag klarte das Wetter auf. Wir waren unseren nun fast drei-tägigen Aufenthalt auf dem hohen Pass (immerhin lag unser Zeltplatz fast auf 1300m) so leid, dass wir noch um 4 in Richtung des nun gut sichtbaren Luotholáhko losmarschierten. Beim Zusammenpacken bemerkte ich, dass die Zelthülle aus dem Vorzelt im nächtlichen Sturm geweht wurde. Dank seiner roten Signalfarbe konnte ich sie aber einige Meter vom Zelt entfernt wiederfinden. Unauffindbar sollte Maxis Rucksackregenhülle bleiben, die ebenso einen Abgang gemacht hatte und sich, grau wie sie war, perfekt in ihrer neuen Umgebung tarnte. Es war sehr kalt und windig, wir waren aber frohen Mutes und freuten uns über jeden Meter, den wir in Richtung einer offeneren und freundlicheren Umgebung vorankamen. Unsere vom Regenmarsch und dem darauffolgenden Sturm im nebelumtosten Zelt nassen Sachen gefroren ziemlich schnell komplett und es schneite leicht, was uns aber wesentlich lieber war als Regen.

Wir folgten zunächst dem Luothojåhkå, hielten dann aber unsere Höhe am Nordhang des Tales, welches sich immer weiter öffnete. Wir stiegen bald kurz über ein Schneefeld zum Bach herunter, der vom See Luothovárásj herunter kam, durchfurteten diesen und erklommen auf der gegenüberliegenden Seite einen erst steilen, dann immer mehr abflachenden Hang hinauf zum gefrorenen Luotholáhko.

Schneefeld vor der Schlucht des Luohttojåhkå
Schneefeld vor der Schlucht des Luohttojåhkå

Das Luohttoláhko hat mich bei der Vorbereitung der Tour schon sehr interessiert und es war ein fester Bestandteil des Weges, den wir geplant hatten. Es handelt sich um eine seltene Formation. Die Ebene hat sich vor hunderten Millionen Jahren, vor Entstehung des heutigen Skandinavischen Gebirges durch tektonische Prozesse 1000m erhoben. Es ist umringt von steilen Gipfeln des Pårte-Massives auf der einen Seite und der bereits erwähnten Berge, durch die uns unser Weg über den Pass geführt hat auf der anderen Seite. Mächtige Gletscher fließen vom Rand der Ebene bis auf sie hinab. Während wir also diese beeindruckende geologische Formation erklommen, gaben die Wolken vor uns langsam, stückchenweise das Pårte-Massiv frei, auf das wir uns immer weiter zubewegten.

Unser Ziel war ein System von Seen, mitten auf dem Hochplateau gelegen, an dem es in der ansonsten vegetationslosen Steinwüste geeignete Zeltplätze geben sollte. Das Abendlicht spiegelte sich in den Wasserlöchern und kleinen Bächen und es entstanden schöne Fotos.

Erst mit der Dämmerung erreichten wir einen passenden Zeltplatz, bauten das immernoch gefrorene Zelt auf und kochten unser wohlverdientes Abendbrot. Der Pass, der uns so schlechtes Wetter beschert hatte, war in der Ferne noch sichtbar und war von dichten Wolken eingehüllt. Wir waren trotz unserer gefrorenen Kleidung sehr froh, diese späte Tagesetappe noch angetreten zu sein.

Auf dem Luohttoláhko
Auf dem Luohttoláhko
Zeltplatz am Bálgatjávrásj
Zeltplatz am Bálgatjávrásj

7. September 2012 - Terrasse unterhalb des Loametjåhkkå

Die Nacht war sehr kalt, und ich verfluchte unzählige male meinen Schlafsack, der mir zwar in den vergangenen zwei Jahren gute Dienste geleistet hatte, nun aber seine versprochene Wärmeleistung keinesfalls erfüllte. Seit Tagen schlief ich in all meinen Anziehsachen und fror trotzdem jämmerlich. Zumindest motivierte mich die morgendliche Kälte einen frühen Start in den Tag zu beginnen und so stand ich wie sonst auch oft vor Maxi auf, zog meine gefrorenen Schuhe an und begann mit der Vorbereitung des Frühstücks. Vorher taute ich noch über dem Kocher Maxis Schuhe noch etwas auf, da diese sie seit Beginn der Tour im Stich ließen und ständig nass waren und dazu noch sehr unangenehm gegen die Zehen drückten.

Wir beschlossen das sonnige Wetter für eine Besteigung des Berges Noajdde zu nutzen, der am Rand der Hochebene steil ins Sarvesvágge abfällt und laut Claes Grundsten einen vorzüglichen Aussichtspunkt darstellen sollte. Bald waren wir also von dem immer wärmer werdenden Wetter motiviert unterwegs und liefen erstaunlich bequem über das steinige Hochplateau auf den vor uns aufragenden und von dieser Seite nicht steilen Noajdde zu. Die Steine waren klein und flach und wir brauchten, ohne die schweren Rucksäcke, nicht mal eine Stunde für die 4km bis zum Fuß des Berges. Auf dem Weg fiel uns ein seltsamer, großer Ring um die Sonne herum auf, den wir auch sogleich fotografierten. Recherche nach Ende der Tour zeigte, dass es sich um ein seltenes atmosphärisches Phänomen, einen 46º-Halo handelte.

Sehr seltener 46º-Halo um die Sonne
Sehr seltener 46º-Halo um die Sonne

Der Aufstieg auf den Berg war nicht schwer, auch wenn der Schnee manchmal sehr tief war und man bis zu den Oberschenkeln durch eine hart gepresste Schicht einbrach. Es gab aber auch viele Steine, auf die man gefahrlos treten konnte und im oberen Bereich war die Schneedecke sehr fest. Die Sonne drückte, sodass wir uns von vielen unserer Bekleidungsschichten trennten und nur im T-Shirt durch den Schnee stapften.

Auf dem Gipfel angekommen, eröffnete sich uns ein fantastisches Panorama aus schneebedecktem Hochgebirge, durchzogen von satt grünen Tälern. 800m unter uns befand sich das Sarvesvágge, durch das wir einige Tage zuvor gewandert waren. Auch der Pass im Niejdariehpvágge war sichtbar, ebenso wie die markante Gestalt des Bierikbákte, das Sarektjåhkkå-Massiv, der Kanalberget und das Rapadalen.

Blick vom Noajdde ins Sarvesvagge
Blick vom Noajdde ins Sarvesvagge
Gipfelpanorama vom Noajdde
Gipfelpanorama vom Noajdde
Gipfelfoto vom Noajdde
Gipfelfoto vom Noajdde
Noajddevágge, Luotholáhko und Pårte-Massiv
Noajddevágge, Luotholáhko und Pårte-Massiv

Wir machten viele Fotos, blieben lange auf dem Gipfel, machten uns aber bald auch wieder auf den Weg zum Zelt. Dort angekommen, entschieden wir, bei dem schönen Wetter noch eine Weile zu laufen und das Hochplateau zu verlassen. So langsam näherten wir uns auch dem Ende der Tour, und selbst die bescheidenen Annehmlichkeiten der Hütten am Kungsleden ohne Strom und fließend Wasser hatten zu diesem Zeitpunkt einen starke Anziehungskraft auf uns.

Wir gingen zwischen verschiedenen Seen entlang immer weiter auf den 700m über dem Plateau steil über uns aufragenden Felsturm Sáitáristjåhkkå zu, der auch als "Matterhorn Schwedens" bezeichnet wird, was sich aus dieser Position sehr gut nachvollziehen ließ. Wir furteten mehrere kleine Bäche und folgten ihrem Zusammenfluss an einem netten Wasserfall vorbei in ein von wunderschönem grünen Gras bewachsenes Kerbtal. Die Farben der Wiesen taten unseren Augen nach den Tagen voller kahler Felsen und Schnee gut.

Wir hielten uns hoch am Hang unter einem überhängenden Felsriegel, von dem Eiszapfen herunterhingen. Das GPS zeigte uns nach einiger Zeit an, dass darüber die Terrasse im Hang verborgen lag, die unser Ziel für die nachmittagliche Wanderung darstellte. Nach einer ebenso steilen wie kurzen und rutschigen Kraxelei durch eine Schwachstelle im Felsriegel kamen wir auch dort oben an und blickten einem wunderschönen Sonnenuntergang entgegen ins Njoatosvágge. Auf weichen Wiesen errichteten wir das Zelt, freuten uns ob der freundlichen Umgebung und genossen unser wohlverdientes Abendbrot.

Zeltplatz auf der Terrasse unterhalb des Loametjåhkkå
Zeltplatz auf der Terrasse unterhalb des Loametjåhkkå
Blick ins Njoatsosvágge
Blick ins Njoatsosvágge

8. September 2012 - See westlich des Tjievrra

Der Tag startete mit wechselhaftem Wetter, mal schien die Sonne, mal bedeckten Wolken den Himmel. Wir bauten routinemäßig und zügig unser Lager ab und starteten den Weg auf der Terrasse entlang gen Süden. Unter uns erstreckte sich das schon sehr herbstlich gefärbte Njoatsosvágge, das im oberen, engen Teil noch schneebedeckt war.

Der Weg auf der Terrasse wurde immer anstrengender und je näher wir dem Bach Ruopsokjåhkå kamen, destso größer wurden die Blockfelder, die wir überqueren mussten. Einen richtigen Pfad hatten wir seit Tagen nicht gesehen, nur vereinzelte Rentierspuren wiesen den Weg.

Es wehte ein unangenehm kalter Wind und bei unseren Pausen mussten wir hinter Senken Schutz suchen und uns etwas warmes unterziehen, um nicht zu sehr auszukühlen. Manchmal schneite es auch. Nichtsdestsotrotz waren wir guter Dinge und die ab und zu auf uns herabscheinenede Sonne, die klare Luft und der unwahrscheinliche Weitblick bescherte uns Freude beim Wandern.

Als wir die steile Schlucht erreicht hatten, die sich der Ruopsokjåhkå in den Hang gegraben hat, eröffnete sich uns eine Idylle, die uns wie eine Oase vorkam. Das Geröll der Terrasse verwandelte sich in satte Wiesen mit seltenen Pflanzen, die Sonne schien und die Schlucht gab uns Schutz vor dem Wind. Es war schlagartig extrem warm und wir spielten mit dem Gedanken, im Bach unterhalb eines malerischen Wasserfalls baden zu gehen. Fünf Minuten später tobte ein Schneesturm und wir verwarfen den Gedanken wieder. Für den Rest des Tages wechselten sich Sonnenschein und Schneesturm im Minutentakt ab, was für ein seltsames Wetter!

Herbstfärbung
Herbstfärbung

Wir querten den Hang auf der anderen Seite der Schlucht und erreichten in der späten Mittagszeit einen kleinen See auf einer Ebene. Aufgrund des kalten Windes und des doch anstrengenden Tages davor (Tagestour auf den Noajdde und dann noch bis Abends mit den Rucksäcken weiterwandern) wollten wir dann auch nicht mehr weitergehen und suchten uns einen windigen, aber dafür sonnigen Zeltplatz auf einem kleinen Hügel neben besagtem See.

Maxi blieb im Zeltinnern, aber ich saß den Rest des Tages im Eingang und schaute dem Schneesturm-Sonne-Gemisch draußen mit einiger Faszination zu und kochte etwas Brühe und genoss die Aussicht. Es war aber bitterkalt, die Temperatur sank immer weiter und wir machten uns auf eine kühle Nacht gefasst.

Gegen Abend spazierten noch einige Rentiere vor dem Zelt und wir sahen dass einige hundert Meter vor uns ein markierter Winterweg entlangführte, der auch in der Karte eingezeichnet war. Das freute mich, denn die 16GB-Speicherkarte der Kamera war so gut wie voll und ich plante, sie durch die 8GB-Speicherkarte des GPS zu ersetzen. Das hätte allerdings zur Folge, dass die topographische Karte auf dem Gerät nicht mehr zur Verfügung stände und ich eventuelle Landmarken manuell aus der Papierkarte eintragen müsste. Einem festen Pfad zu folgen würde mir das weitestgehend ersparen.

9. September 2012 - Nahe dem Schneefeld über den Sähkokjåhkå

Der Tag startete ausnahmsweise mit tollem Wetter. Zwar war es unglaublich kalt für die Jahreszeit, allerdings hatte sich der Wind gelegt und die Sonne schien im strahlend blauen Himmel. Nach einer weiteren kalten Nacht war ich wie gewohnt froh, als die Zeit zum Aufstehen anbrach und ich mich mit den vielen kleinen Arbeiten, die ein Leben abseits der Zivilisation verlangte, aufwärmen konnte.

Nach unserem Frühstück brachen wir auch bald bei perfektem, allerdings zur Morgenstunde noch sehr kalten Wetter auf. Wir gingen in direkter Linie zum markierten Winterweg in Richtung des Bergs Sähkok. Das erste Mal seit Beginn unserer Tour hatten wir einen markierten Weg, dem wir folgen konnten und mussten uns nicht mehr auf das Navigieren im Gelände mit Karte und GPS verlassen.

Die Sonne schien grell, meine Sonnenbrille kam zum Einsatz und wir bahnten uns unseren Weg über gut zu begehenden Untergrund und über in der kalten Nacht bis zum Boden durchgefrorene Bäche, Furten blieben uns somit erspart. Bald erreichten wir den Sähkok und auf der anderen Seite der Anhöhe öffnete sich die Sicht und gab die mit dichten Nadelwäldern gefüllten Täler und Ebenen um Kvikkjokk frei. Im Norden sahen wir die geröll- und schneegefüllten Hänge des Bårddetjåhkkås, des höchsten Berges im Pårte-Massiv. Auf einem Sattel unter seinem Gipfel machten wir einen winzigen roten Punkt aus, dies musste das Pårte-Observatorium sein, dass der Forscher Axel Hamberg hier 1914 errichten ließ.

Pause in der Sonne, trotzdem kalt
Pause in der Sonne, trotzdem kalt

Aufgrund des guten Wetters überlegten wir nicht lange, da uns viele geplante Tagestouren auf Grund des schlechten Wetters verwehrt geblieben waren, wollten wir auf jeden Fall trotz der nicht mehr so frühen Stunde noch eine Besteigung des Bårddetjåhkkås starten. Maxi war auf Grund ihrer strapazierten Füße noch nicht sicher, ob sie dieser Anstrengung gewachsen war, wollte aber auch nicht die Bergtour verpassen.

Wir liefen noch einige Kilometer weiter bis zu einem viele Meter dicken Schneefeld, das über den schwierig zu durchfurtenden Bach Sähkohjåhkå fürte, legten dort unsere Rucksäcke ab, und machten eine ausgedehnte Pause um unsere Kräfte für den 1000 Höhenmeter langen Aufstieg zu sammeln. Wir starteten mit leichtem Gepäck um 14:30 den Aufstieg. Es ging zuerst am Bach entlang über hügeliges, abwechselnd auf Schneefeldern oder Gras gut zu laufendes, oft aber auch von Geröll geprägtes Gelände. Immer näher kamen wir den Südhängen des Bårddetjåhkkås.

Uns boten sich die Optionen entweder über Geröll oder über steile Schneefelder den Hang hinauf zum Grat aufzusteigen. Maxi meinte, dass die Schneefelder ihren beanspruchten Füßen wahrscheinlich besser bekämen, und so starteten wir unseren Weg über diese hinauf. Ich ging in schnellem Tempo vorraus, trat mit meinen Bergschuhen für Maxi Stufen in den harten Schnee, um ihr das Steigen zu erleichtern. Es war mir zu diesem Zeitpunkt sehr wichtig, dass wir in zügigem Tempo vorrankämen, denn ich wollte unbedingt auf dem Rückweg leichteres Gelände erreicht haben, bevor die Dunkelheit uns einholte.

Nach und nach erklommen wir den Hang, das Amphiteater des Tievrra unter uns mit seinen Seen und Bächen wurde immer kleiner und sah fast wie Spielzeug aus. Die Sonne schien, es wehte kein Wind und ich lief im T-Shirt, obwohl die Temperatur im Schatten sicherlich niedrig war. Schließlich gewannen wir den Grat und blickten hunderte Meter senkrecht auf dessen anderer Seite hinab auf den Bårrdejegna, einen sehr großen Gletscher, der das Pårte-Massiv auf dessen östlicher Seite prägte. Nach kurzer Kraxelei standen wir auf dem Observatoriumsplateau und bestaunten die dort angebrachten, von Eis verkrusteten wissenschaftlichen Geräte, die wie ein Museum der Technikgeschichte des letzten Jahrhunders auf der Ebene verteilt dastanden.

Ich hatte außerdem auf dem GPS-Gerät die Koordinaten eines Geocaches gespeichert, der sich auch schnell an einem Steinmann fand. Diese elitäre Errungenschaft wollte ich nicht verpassen, muss man doch mindestens eine Woche wandern, um diesen Punkt zu erreichen und wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Außerdem versprach die Beschreibung jedem Finder einige Biere, ausgegeben vom Owner in Stockholm, was uns zu diesem Zeitpunkt stark reizte.

Lange Zeit zum Verweilen hatten wir allerdings nicht, stand die Sonne doch schon tief am Himmel und waren es noch 200 Höhenmeter und ein horizontaler Kilometer bis zum Gipfel. Dieser war von unserer Position gut sichtbar über einen Schneegrat zur erreichen, der mit mächtigen Wächten nach Norden über den Gletscher überhing. Wir hielten uns also in respektvollem Abstand zur vermuteten Abbruchkante und sahen auch schon alte Fußspuren von anderen Wanderern, denen wir Richtung des Gipfels folgten. Dort oben angekommen erweiterte sich die sowieso schon fantastische Aussicht noch um den westlichen Teil des Pårte-Massivs, vor allem um den auch von dieser Seite aus spektakulär steilen Gipfel des Sáitáristjåhkkå, der uns auch vom Luohttoláhko aus fasziniert hatte. Wir nahmen uns vor, ihn irgendwann auf einer Tour mit Kletterausrüstung einmal zu besteigen. Dahinter sagen wir auch, scheinbar zum greifen Nahe, das Luohttoláhko selbst daliegen, inklusive des Sees, an dem wir 4 Tage zuvor unser Lager aufgeschlagen hatten.

Gipfelfoto auf dem Bårddetjåhkkå (2005m)
Gipfelfoto auf dem Bårddetjåhkkå (2005m)

Blick vom Bårddetjåhkkå aufs Luohttoláhko mit dem markanten Gipfel Sáitáristjåhkkå im Vordergrund
Blick vom Bårddetjåhkkå aufs Luohttoláhko mit dem markanten Gipfel Sáitáristjåhkkå im Vordergrund

Es entstanden viele schöne Fotos, doch die untergehende Sonne trieb uns auch zur Eile, denn der lange Abstieg über die Schneefelder und der Weg zurück zu den Rucksäcken wartete noch auf uns. Ein langes Schneefeld, das wir beim Hinweg gesehen hatten entpruppte sich als zu steil um es sicher in seinem jetzigen, gefrorenen Zustand für den Abstieg zu nutzen und so mussten wir den Hang weit mal auf Schnee, mal auf erstaunlich gut zu begehendem Geröll queren, um schließlich unsere Aufstiegsspuren zu erreichen und an ihnen hinab schnell ins Tal zu rutschen.

Der Weg zu den Rucksäcken zog sich gefühlte Ewigkeiten, waren wir doch schon seit zwölf Stunden auf den Beinen und hatten den gesamten Tag über schwer gearbeitet und nur wenige Pausen eingelegt. In fast totaler Dunkelheit erreichten wir die Rucksäcke und bauten direkt am Rand der Schlucht des Baches das Zelt auf, kochten unser Abendbrot und fielen in einen tiefen, erschöpften Schlaf, froh über die Errungenschaften des Tages.

10. September 2012 - Renvaktarstuga unterhalb des Tjoalta

Wir schliefen lange an diesem Tag, hatten wir uns ein wenig mehr Ruhe als sonst doch reglich verdient. Außerdem fror ich nicht mehr so stark wie sonst, da wir mittlerweile auf geringerer Höhe zelteten und der bedeckte Himmel nichtmehr ganz so kalte Temperaturen erlaubte.

Unser Weiterweg für den Tag sollte uns auf einem deutlichen Pfad hinab auf die Pårek-Ebene in Richtung Kungsleden führen. Wir querten zunächst lange, auf gut zu begehendem Untergrund einen langen Hang, sahen viele Rentiere und einige Schneehühner, und stiegen dann durch immer dichter werdende Vegetation hinab auf die Baumgrenze zu. Die ersten kümmerlichen arktischen Birken säumten den Pfad und kamen uns wie unwirkliche Boten einer fast schon vergessenen Welt vor, waren wir doch seit Anfang der Tour ausschließlich oberhalb der Baumgrenze gewandert und hatten seit über zwei Wochen keinen Baum mehr aus der Nähe gesehen.

Wir liefen vorbei am Samendorf Pårek und über die sumpfige Ebene gleichen Namens. Zwischendurch musste noch ein breiter Fluss zwischen zwei Seen gefurtet werden, der im Führer als unschwierig beschrieben wurde. Allerdings bezog sich diese Bewertung auf steingefüllte Kisten, über die man ohne die Schuhe auszuziehen treten können sollte. Dummerweise bemerkte ich, beim Vorausgehen, dass genau an den wichtigsten Stellen, nämlich denen mit tiefem Wasser und starker Strömung, die Kisten vom Strom zerstört und hinweggespült worden waren. Ich rief Maxi zu, besser die Watschuhe anzuziehen, probierte aber trotzdem mein Glück auf einigen lockeren, 10cm tief im Wasser sitzenden Felsbrocken. Fast fiel ich ins Wasser, stützte mich aber noch mit den Wanderstöcken ab und erreichte trocken das gegenüberliegende Ufer.

Die Zeit, die Maxi zum Umziehen und Waten brauchte, nutzte ich für die Erkundung des Weiterwegs. Wir wollten nämlich nicht dem sonst üblichen Pfad Richtung Kvikkjokk folgen, sondern nach der Furt in Richtung einer Renvaktarstuga (Rentierwächterhütte) abbiegen und uns von dort aus 3km durchs Gelände zum Kungsleden durchschlagen, was uns über 10km Weg ersparen würde. Es gelang mir aber erst beim zweiten Versuch, den Pfad im sumpfigen Gelände auszumachen und als ich zurückkehrte war Maxi schon angekommen, trocknete sich die Füße ab und zog sich die Wanderschuhe an.

Wir folgten dem Pfad, der sich aber schnell im Sumpf verlief. Jetzt wäre die auf dem Bårddetjåhkkå um Platz für Fotos zu machen gelöschte Karte im GPS-Gerät sehr hilfreich gewesen. Wir stapften also durch das Sumpfgebiet, von Rentierpfaden geleitet, immer wieder bis zu den Knöcheln im Schlamm stehend. Wir hielten uns an Oser, die wie Inseln aus dem nassen Sumpf ragten und wenigstens für einige Meter trockenen Untergrund versprachen. Bald fanden wir den Pfad wieder, nach einer Weile stellte sich jedoch heraus, dass es der Pfad war, den wir ursprünglich vermeiden wollten. Die generelle Richtung stimmte aber, und ein Blick auf die Karte offenbarte die sinnvollerere Alternative, später auf nicht mehr sumpfigen Untergrund einen Bogen zu schlagen, um zu der Renvaktarstuga zu gelangen.

In der Zwischenzeit wurde auch das Wetter recht ungemütlich, von Westen her zogen immer wieder dunkle Wolken mit leichten Nieselschauern über die Ebene und unser Antrieb war nicht mehr das Wandern selber, sondern mehr die schwindende Distanz zu den Pårte-Hütten, die einen warmen, trockenen Platz am Ofen versprachen. Bis dahin war allerdings noch einiges an Distanz zu überwinden und bald verließen wir den Pfad, um unsere Abkürzung doch noch zu nehmen. Wir umrundeten die Hälfte eines Sees, durchwateten einige kleine Bäche und gingen über die von angenehmen Sträuchern und Gras bewachsene Ebene, im letzen Teil auch durch dichten Birkenwald zur Stuga.

Rentier
Rentier

Diese war winzig klein und auch verschlossen. Es lag auch viel Müll in der Umgebung, weswegen wir einen Zeltplatz in einiger Entfernung zur Hütte bevorzugten. Ich probierte mich noch mehrere Stunden im Nieselregen an der Errichtung eines Lagerfeuers, aber die Nassen Zweige und Stämme wollten nich so recht Wärme spenden und so gab ich mein Unterfangen zum von Maxi gekochten Abendbrot auch frustriert wieder auf. Zumindest der Körpergeruch hatte sich durch den vielen Qualm deutlich verbessert.

11. September 2012 - Pårtestuga

Der Nieselregen sollte die ganze Nacht hindurch nicht aufhören. Auch am Morgen erwachten wir mit dem Geräusch der Tropfen auf dem Außenzelt. Die Stimmung war auf einem Tiefpunkt angekommen. Die vielen Tage auf engstem Raum forderten ihren Tribut und kleine zwischenmenschliche Reibereien, im Alltag schnell vergessen und vergeben, erschienen uns als ernsthafte Probleme und boten obendrein noch eine willkommene Gelegenheit den Aufbruch im ungemütlichen Regen mit Diskussionen zu verzögern. Um 12 waren aber alle Streitereien geklärt, wir bauten das tropfnasse Zelt ab und machten uns durch dichten Urwald auf den Weg. Das Ziel war der Fernwanderweg Kungsleden, ein berühmter und viel begangener Weg, den ich auch schon in Teilen auf früheren Touren begangen hatte und auf dem wir auf schnelleres Vorankommen hoffen durften.

Dazwischen lag allerdings noch eine anstrengende Wanderung durch ein enges, unzugängliches Tal, dicht bewaldet, mit einem rauschenden Bach steil zwischen zwei Bergen ins Tal abfallend. Die Vegetation wurde mit jedem Meter dichter, zwischen den Birken stehende Nadelbäume zeugten von der ungewohnt niedrigen Höhe, in der wir uns mittlerweile befanden.

Wir starteten auf der orographisch linken Seite des Baches, wo ich am Vortag einfacheres Wandergelände als auf der rechten Seite ausgekundschaftet hatte. Bald schauten wir aber in immer schwierigerem Gelände aus Gestrüpp und Bäumen zwischen nassen, bemoosten, rutschigen Steinen neidisch auf die andere Seite des Baches, wo Stellen mit Heide ein leichteres Vorankommen ermöglichen würden. Wir stiegen also, die letzten Meter über große Felsbrocken kletternd, hinunter zum Fluss und balancierten auf Felsplatten über das schäumende Wasser. Auf der anderen Seite befand sich ein Rentierzaun, an dem entlang sich ein relativ guter Pfad für den Weiterweg anbot. Am Zaun entlang sollten wir auch den Kungsleden erreichen, aber dabei einen kleinen Umweg von 2-3 km machen, was wir aber dank des schnelleren Vorankommens gern in Kauf nahmen.

Wir gingen also am Zaun entlang, stetig langsam absteigend weiter, mitlerweile vom nassen Gestrüpp bis auf die Knochen durchnässt. Sogar meine Schuhe, bis jetzt relativ dicht (im Gegensatz zu Maxis Schuhen, die sich quasi zu diesem Zeitpunkt halb aufgelöst hatten und mindestens alle halbe Stunde in den letzten Wochen wüst von ihr verflucht wurden), waren total durchnässt und machten schmatzende Geräusche bei jedem Schritt.

Im Urwald
Im Urwald

Der dichte Nadelwald, der im unteren Abschnitt des Tales folgte, war für uns trotzdem faszinierend und die stetig wechselnde Vegetation machte unser Wandern nicht eintönig. Nach einer letzten Furt und einigen sumpfigen Stellen erreichten wir den Kungsleden, der uns für die letzten Tage der Tour Richtung Norden nach Saltoluokta führen sollte.

Trotz dessen unangenehm steiniger Beschaffenheit auf diesem Abschnitt erfreuten wir uns daran, dass über jedem ach so kleinen Bach eine Brücke auf uns wartete und sumpfige Stellen von hier aus mit Holzbohlen versehen sein sollten. Wir legten eine ausgiebige Pause ein und kochten unsere Haferflocken, die wir ausnahmsweise mit einer Schokolade zum Frühstück ausgetauscht hatten.

Bald begegneten uns auch die ersten Menschen seit Tagen, was uns sehr komisch vorkam. Wir erkundigten uns nach den Öffnungzeiten der Hütten, besonders die Aktse-Hütten interessierten uns, da wir darauf angewiesen waren, dort unsere schwindenden Vorräte an Proviant aufzufrischen. Wir waren am Suorvadammen mit 18 Tagen an Essen gestartet und hatten zu diesem Zeitpunkt noch zwei Tagesrationen und ein Abendessen pro Person in unseren Rucksäcken. Wir mussten also am nächsten Tag Aktse erreichen, denn in den Pårte-Hütten gab es keine Möglichkeit, Essen nachzukaufen. Das Deutsche Pärchen, das wir fragten, beruhigte uns jedoch mit der Aussage, die Aktse-Hütten hätten noch fast eine Woche geöffnet und es gäbe noch eine allerdings eingeschränkte Auswahl an Essen dort zu erwerben.

Auf dem Weg durch den dichten Wald zu den Pårtehütten trafen wir noch einige andere Wanderer, die alle freundlich mit dem üblichen "Hej Hej!" grüßten. Unser seltsames Gefühl beim Anblick fremder Menschen schwand rasch. Die Hütten selbst sind malerisch auf einer kleinen Halbinsel im See Sjabtjakjaure gelegen. Wir liefen auf die Halbinsel und wurden sogleich von einem Schweizer begrüßt und in den warmen Aufenthaltsraum eingeladen. Wir meldeten uns beim Hüttenwirt an, wollten auf der Halbinsel zelten und die Einrichtungen der Hütten nutzen. Vor allem der Trockenraum hatte es uns zu diesem Zeitpunkt angetan. Wir hängten alle Textilien und unsere Schlafsäcke dort auf und breiteten den Rest der Ausrüstung auf einem freien Tisch im Aufenthaltsraum aus. Die nächsten Stunden verbrachten wir in angenehmen Unterhaltungen mit den anderen Gästen und mit dem Zubereiten von heißen Getränken und Speisen, unsere Stimmung war phänomenal gut dank der ungewohnten Annehmlichkeiten.

Pårtehütten
Pårtehütten

Gesättigt und erwärmt entschied ich, das zu diesem Zeitpunkt ungewohnt warme Wetter mit Temperaturen um 12ºC zu nutzen, um ein Bad im See zu nehmen und einige Kleidungsstücke zu waschen. Das Wasser war zwar klirrend kalt, beim Gedanken an den warmen Ofen, an dem ich mich schnell wieder aufwärmen konnte störte mich das aber nicht zu sehr.

Zur Krönung des Abends brachte der Hüttenwirt noch frisch gefangenen und geräucherten Fisch vorbei, den wir als erstes frisches Essen seit Wochen besonders genossen. Satt und zufrieden legten wir uns in unsere trockenen Schlafsäcke ins allerdings noch nasse Zelt und schliefen trotz des heftigen Regens der Nacht so gut wie seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr.

12. September 2012 - Aktse

Der Wecker weckte uns um 7, denn wir mussten an diesem Tag Aktse erreichen, was einen Marsch von 24km mit vielen Höhenmetern mit einer anschließenden 6km Ruderstrecke bedeutete. Im Gastraum bereiteten wir Frühstück und sammelten unsere ausgebreiteten, mittlerweile gut getrockneten Ausrütsungsgegenstände ein und bauten zu guter letzt das Zelt ab, welches sich allerdings in einem katastrophal nassen Zustand befand. In der Nacht hatte es heftig geregnet und unter dem Zelt hatte sich eine Pfütze gebildet, sodass das Gewebe beim Einpacken nur so schwamm. Zu allem Überfluss vergaß ich auch meinen Beutel mit Heringen, was sich aber erst beim nächsten Aufbauen am Abend bemerkbar machen sollte.

Das Wetter sah ungünstig aus, zumindest hatte der Regen aber beim Beginn der Wanderung aufgehört und es zeigten sich zunehmend Strukturen an den Wolken, eine willkommene Abwechslung zu den monotonen Nebelschwaden, die die letzten Tage den Himmel dominiert hatten. Der Regen der Nacht hatte selbst kleine Bäche über ihre Ufer treten lassen und wir mussten fast die Schuhe ausziehen um Stellen zu überwinden, bei denen zu normalen Bedingungen ein kleiner Schritt ausreichte.

Zu unserer großen Freude zeigten sich bald mehr und mehr freie Stellen in der Wolkendecke, durch die uns ein blauer Himmel anblickte. Das Wetter klarte immer mehr auf und bald liefen wir bei hellem Sonnenschein durch den Wald. Der Herbst zeigte sich hier deutlich, Blätter waren gefärbt und fielen, immernoch vom Regen durchnässt bei leichten Windstößen auf uns hinab. Wir mussten bald Pause machen, um uns unserer Regenkleidung zu entledigen.

Der Weg ging leicht bergauf, wir überquerten auf soliden Brücken reißend schäumende Bäche. An einem von diesen hatte ich zwei Jahre zuvor an seiner roten Brücke mit Arno gezeltet und ihn als kleinen Rinnsaal in Errinnerung behalten. Jetzt war er metertief und so laut, dass man kaum sein eigenes Wort verstanden hätte. Hier hätte man nie und nimmer eine Furt probieren dürfen, es wäre aussichtslos gewesen.

Der Pfad stieg immer weiter an, die Nadelbäume wurden immer mehr durch Birken ersetzt und wir erkannten durch das Laub die Anhöhe Huornnásj, an der vorbei wir zu einem Pass aufsteigen mussten. Je höher wir kamen, destso spärlicher wurde die Vegetation. Bald erkannten wir den See, an dem wir am Morgen von den Pårte-Hütten aufgebrochen waren und auch die Pårek-Ebene, die wir am Tag zuvor überquert hatten. Der Bårddetjåhkkå war noch von Wolken vor uns verborgen.

Arktischer Nadelwald gibt den Blick auf den Huornnásj frei
Arktischer Nadelwald gibt den Blick auf den Huornnásj frei

Auch oberhalb der Baumgrenze, die wir schnell erreichten, war der Herbst schon angekommen, die Sträucher, Moose und Gräser zeigten schöne Färbungen im Sonnenlicht. Der Pass gab den Blick auf das große Rittak-Tal frei, das von einem Stausee gefüllt und von dichten Wäldern umringt schimmerte. Der Weg war außerordentlich gut zu gehen und wir kamen schnell vorwärts. Zwischendurch passierten wir die Rittak-Schutzhütte, wir machten aber keine Pause sondern wollten so schnell wie möglich in Aktse ankommen, die Abwechslung im Essen, die der dortige Proviantverkauf versprach, übte eine ungemeine Anziehung auf uns aus und wir übertrafen uns mit schmackhaften Träumerein für unser Abendessen. Eine Umstellung auf Dosenfutter war allerdings das maximal zu erwartende.

Am späten Nachmittag senkte sich die Hangterrasse, auf der wir bis dahin entlanggegangen waren und die mächtige Bastion des Bergs Tjakkeli tauchte vor uns auf und versperrte den Blick auf das berühmte Delta des Flusses Rapaätno. Wir sahen wieder die fernen Berge des inneren Sarek, vor allem die drachenartigen Kämme des Bielloriehpe-Massivs, welche das untere Rapadalen dominierten. Der Kungsleden ging steil bergab, wieder erfuhren wir einen raschen Wechsel der Vegetation von Moosen und Flechten zu Gestrüpp und weiter zu Birkenwäldern bis schließlich wieder dichter arktischer Nadelwald unseren Weg säumte. Die Sonne stand jetzt schon tief, das Licht war wundervoll und passte perfekt zur herbstlichen Färbung der Natur und lud zum Fotografieren ein.

Der lange Weg an dem Tag bescherte uns jedoch langsam müde Muskeln und wir sehnten uns nach dem Bootsanlieger am Laitaure, der zumindest eine Abwechslung in der Belastung für mich, eine wohlverdiente Pause für Maxi versprach. Wir gingen ausnahmsweise einmal getrennt voneinander, hier bestand keine Gefahr einander zu verlieren und jeder war froh, in seinem eigenen Laufrhythmus das Vorankommen etwas leichter erleben zu können.

Zwischendurch gaben sumpfige Stellen immer einmal den Blick auf die steile Südwand des Skierffe frei, die von der Abendsonne angestrahlt hell und gewaltig leuchtete. Wir errinnerten uns daran, lange nicht mehr geklettert zu sein und ich ertappte mich dabei, nach Aufstiegsrouten durch die Wand zu suchen.

Ich erreichte einige Minuten vor Maxi den Bootsanleger und war sehr enttäuscht, dort nur ein Boot vorzufinden. Das System der Bootsüberfahrten am Kungsleden basiert darauf, das immer mindestens eins der meist drei Boote an jedem Ufer lag. Wir konnten also dieses Boot nicht einfach so zur Überfahrt nutzen, sondern mussten mit einem weiteren Boot im Schlepptau zurückkehren, nur um ein weiteres mal auf die andere Seite zu Rudern. Es hieß also, keine Zeit zu verlieren, um noch im Hellen die insgesammt drei Überfahrten absolvieren zu können.

Start des Ruderns auf dem Laitaure
Start des Ruderns auf dem Laitaure
Skierffe
Skierffe
Rapadelta
Rapadelta
Tjahkkelij, Nammásj und Skierffe
Tjahkkelij, Nammásj und Skierffe

Maxi wurde also mit Instruktionen ausgestattet, was ich alles zum Abendbrot essen möchte (der Hunger war groß und die Liste lang), und ging nach der ersten Überfahrt los in Richtung Hütte. Ich machte das Beste aus der Situation und war guter Laune, denn der See war wunderschön und die Sonne ging langsam über dem Sarek unter, man konnte wahrlich in schlimmerer Umgebung als beim Rudern über diesen magischen Ort seinen Abend verbringen. Ich brauchte trotzdem mehrere Stunden und erreichte erst im Schein meiner Stirnlampe die Hütten. Dafür entstanden sehr schöne Aufnahmen des Deltas im Abendrot während meiner Überfahrt und ich war im Nachhinein sehr froh, diese Aufgabe übernommen zu haben.

Das Abendbrot bestand dann aus Fischdosen mit Nudeln und war weniger gut als gedacht. Die Auswahl im Laden war zum Ende der Saison nur noch sehr beschränkt und Maxi hatte probiert, das Beste aus der Situation zu machen. Ich genoss trotzdem weniger den Geschmack des Essens als den Anstieg des Blutzuckerspiegels der seit dem letzten Snack am frühen Nachmittag sicher drastisch gefallen war.

Es waren allerdings noch nicht genug schöne Eindrücke für diesen Tag, denn beim Weg ins Zelt fragte mich Maxi, was denn das leichte Leuchten am Horizont zu bedeuten habe. Ich dachte erst an einen letzten Rest des Sonnenuntergangs, aber die Richtung war Süden statt Westen und die Sonne war schon längst verschwunden - es mussten Nordlichter sein!

Wir bewaffneten uns also mit unseren Watschuhen (die Wanderstiefel sollten vor dem Kamin lieber noch weiter trocknen), Kamera und Stativ und begaben uns auf die große Wiese unterhalb der Hütten um einen besseren Blick auf die Lichter zu bekommen. Diese wurden immer stärker, ich machte viele Langzeitbelichtungen und wir staunten über sich durch den Sternenhimmel windende Bänder aus grünem und leicht blauen Licht. Nach 45 Minuten verschwanden die Lichter langsam und wir legten uns ins immernoch platschnasse Zelt, überwältigt von den Eindrücken dieses Tages.

Nordlichter über dem Skierffe
Nordlichter über dem Skierffe

13. September 2012 - Svine

Der Tag erwachte zu strahlendem Sonnenschein. Wir hielten uns lange in- und vor der Hütte auf, besonders ich hatte nach dem letzten, harten Tag mit 13 Stunden harter Arbeit das Bedürfnis, es etwas langsamer angehen zu lassen. Ein freundlicher Landsmann, der sich auch sehr für unsere Tour interessierte und schon an vielen Orten, die wir besucht hatten gewesen war, versorgte mich mit einigen Zigaretten, die ich vor der Hütte die Sonne aufsaugend genoss. Gegen 10:45 machten wir uns auf den Weg, den Pfad von der Hütte einen steilen Hang hinauf folgend. Auf knapp unter 800m Höhe deponierten wir unsere Rucksäcke, um noch einen Abstecher auf den Gipfel des Skierffe zu unternehmen, trotz unserer Erschöpfung vom Vortag wollte ich den fantastischen Ausblick von diesem Gipfel vor Ende der Tour nicht verpassen.

Maxi sah das, wie sich im Laufe des Weges herausstellte, nicht ganz so enthusiastisch und wir debattierten, obwohl es schon zu spät war, über die stillschweigende Entscheidung dieses Umweges. Der Weg zog sich, entgegen meinen Erinnerungen aus früheren Touren doch deutlich länger als erwartet. Das Wetter war aber gut und die Ausblicke ins Rapadalen waren auf dem Weg schon sehr schön. Besonders der im Delta steil aufragende, würfelförmige Berg Nammasj, sah aus dieser Perspektive spektakulär aus.

Wir trafen einige Wanderer auf dem Weg und als wir den Gipfel über einen Pfad auf dessen flacher Rückseite erreichten, waren mehrere Leute auf dem Gipfel und genossen die Aussicht mit uns. Das Wetter war währendessen allerdings schlechter geworden und über dem Sarek braute sich eine Schlechtwetterfront zusammen. Wir machten einige Fotos, ich genoss eine Dose Thunfisch und wir begaben uns auf den Rückweg. Es begann auf dem Abstieg ein heftiger Schneesturm und wir bedauerten die uns entgegenkommenden Wanderer, denn sie hätten bestimmt wenig Freude am Gipfel.

Nammásj und Skierffe vom Pfad auf den Skierffe
Nammásj und Skierffe vom Pfad auf den Skierffe
Nammásj und Pårte-Massiv
Nammásj und Pårte-Massiv
Gipfelfoto Skierffe
Gipfelfoto Skierffe
Beim Aufstieg auf die Njunjes-Ebene
Beim Aufstieg auf die Njunjes-Ebene

An unseren Rucksäcken angekommen machten wir uns schnell auf den Weg, wir stiegen weiter, nun oberhalb der Baumgrenze, auf die Njunjes-Hochebene hinauf, es schneite nicht mehr aber der Wind war kalt. Wir sahen vor uns in der Ferne den See Sitojaure, über den wir die gleichnamingen Hütten erreichen wollten. Der steile Weg hinab zog sich aber hin und zu unserer Enttäuschung lag am Bootsanleger wieder nur ein Boot. Um wieder drei mal über den See zu rudern war es aber zu spät und wir gingen herüber zur Svine-Schutzhütte. Diese kleine Hütte ist eigentlich nicht für Übernachtungen gedacht, aber ich hatte auch mit Arno zwei Jahre zuvor schon da übernachtet, weil gar kein Boot auf unserer Seite lag.

Vor der Hütte standen aber eine stattliche Anzahl von Wanderstöcken und mir schwante schon, dass wir nicht die einzigen an diesem Abend sein würden, die die Hütte als Übernachtungsmöglichkeit missbrauchen wollten. Wir wurden beim Betreten der Hütte herzlich von vier Deutschen empfangen und sofort eingeladen, uns etwas aufzuwärmen. Bald kochten wir unser Abendbrot im begrenzten Platz, den die Hütte bot, erzählten reichlich von unseren Erlebnissen und bekamen sogar einige Whiskys angeboten. Wir waren uns alle einig, dass die Hütte (mit vielleicht 12qm Grundfläche) groß genug für die Übernachtung von sechs Leuten war. Es gab drei Bänke und einen Tisch, Maxi schlief auf dem Tisch, drei von den anderen auf den Bänken und einer von ihnen mit mir unter dem Tisch. Durch die vielen Personen war es die ganze Nacht hindurch angenehm warm. Wir beschlossen, gemeinsam am Morgen das Problem des dreifachen Ruderns zu lösen.

14. September 2012 - Saltoluokta

Wir standen früh auf und ich bot mich an, die erste Rudertour zu übernehmen. Die Jungs hatten sogar noch eine bessere Idee, nämlich dass, sobald wir einmal übergesetzt waren, sie die restlichen Fahrten übernehmen könnten und wir uns schon auf den Weg nach Saltoluokta machen durften. Der Vorschlag gefiel mir sehr, war doch der zu wandernde Weg von der Beschaffenheit sehr einfach, aber mit 20km nicht gerade kurz und die Sauna und heiße Dusche in Saltoluokta hatten einen Appeal, den der Leser dieses Reiseberichts an dieser Stelle sicher nachvollziehen kann.

Die Überfahrt mit vier Personen und deren schweren Rucksäcken war zudem auch sehr anstrengend, der Wind drehte das Bot in alle möglichen Richtungen, nur nicht in die der Anlegestelle auf der anderen Seite. Ich hatte außerdem aus 2 Touren davor viele Bojen in Errinnerung, die in kurzen Abständen den Weg über den oft flachen und mit unter der Wasseroberfläche wartenden Steinen wiesen. Von diesen Bojen war allerdings in diesem Jahr nicht viel zu sehen, lediglich zwei oder drei zählten wir während der Überfahrt. Wir brauchten trotz günstigem Wind, mehr in unsere Fahrtrichtung als dagegen, über eine Stunde für die 6km Ruderstrecke, ich hatte das Gefühl fast ausschließlich auf einer Seite zu rudern, um das Boot am Drehen zu hindern und den Kurs zu halten.

Beim Ablegen
Beim Ablegen

Auf der anderen Seite angekommen war Maxi ziemlich durchgefroren, mir ging es dank der Anstrengung weitaus besser, trotzdem zog ich mir noch zusätzliche Kleidung an, um auf dem hohen Plateau, auf dem wir den Rest der Strecke bestreiten sollten, nicht zu frieren. Der Weg schlängelte sich aus dem Birkenwald hinauf über die Baumgrenze und es begann heftig zu winden und dazu noch zu schneien. Wir waren mittlerweile ja einiges gewohnt und waren nur froh, dass es nicht regnete und dass wir am Abend warm und sicher in Saltoluokta ungeahnte Maße an Zivilisation wiederentdecken dürften.

Ich hatte nach einigen Stunden das erste Mal auf der Tour, wohl auf Grund der stetigen Belastung Schmerzen in der linken Archillessehne und fiel weit hinter Maxi zurück. Als ich sie dann eingeholt hatte, nahm ich mir eine Schmerztablette aus dem Erste-Hilfe-Paket und danach ging es besser und wir kamen über die "Autobahn", die der Kungsleden an dieser Stelle für uns darstellte rasch vorran.

Ungemütliches Wetter auf dem Weg nach Saltoluokta
Ungemütliches Wetter auf dem Weg nach Saltoluokta

Wir machten noch eine Pause in einer weiteren Schutzhütte und kochten noch ein wenig Brühe und Blaubeersuppe um unsere durchgekühlten Körper etwas aufzuwärmen, aber hielten uns nicht lange auf. Gegen 18:30 erreichten wir dann endlich Saltoluokta und beschlossen, uns für diese Nacht ein Bett zu gönnen, um das immernoch total durchnässte Zelt im Trockenraum trocknen zu können. Wir genossen die heißen Duschen und (leider nach Geschlechtern getrennten) Saunen ausgiebig und stillten Hunger und Durst aus dem reichhaltigen Angebot des kleinen Ladens, den es neben der Rezeption der Fjällstation gab.

15. September 2012 - Saltoluokta

Den nächsten Tag verbrachten wir recht ereignislos ruhig in Saltoluokta mit Essen, Duschen, Waschen der Kleidung, Ausrüstungspflege und Saunagängen. Wir unternahmen einen kleinen Ausflug zum nahegelegenen Samendorf, wo es einige traditionelle samische Erdhäuser, genannt Kåta, gab, wovon eine eine schön eingerichtete Kirche war, die man auch von innen besichtigen konnte.

Kirkkåta (Samische Kirche)
Kirkkåta (Samische Kirche)
Kåte von außen (nicht die Kirche)
Kåte von außen (nicht die Kirche)

Wir machten alles für die Rückreise nach Deutschland bereit und wollten gerade (seltsamerweise mächtig erschöpft vom Nichtstun) ins Bett gehen, als Maxi am Himmel Nordlichter entdeckte. Wir schlenderten zum großen Steg, von dem wir am Tag danach das Boot zur Bushaltestelle nehmen sollten und machten dank des Stativs schöne Aufnahmen der Aurora.

Nordlichter in Saltoluokta 1
Nordlichter in Saltoluokta 1
Nordlichter in Saltoluokta 2
Nordlichter in Saltoluokta 2

16. September 2012 - Boden

Mit wunderschönem Licht zum Abschied standen wir auf, machten noch einige Fotos, aßen ausgiebig Frühstück und verbrachten den Tag im Foyer der Fjällstation lesend vor dem Kamin. Unsere Gedanken drehten sich schon auf den Alltag zu Hause und wir freuten uns darauf, Freunde und Familie bald wieder zu sehen.

Bootsanlegesteg beim Ablegen
Bootsanlegesteg beim Ablegen

Pünktlich um 15:45 legte das Boot nach Kebnats auf die andere Seite des Sees ab und nach einigen Minuten standen wir mit vielen anderen Wanderern an der Bushaltestelle und warteten auf den Bus ins 120km entfernte Örtchen Gällivare. Dort angekommen wollten wir uns eigentlich in einem Supermarkt für die lange Bahnfahrt eindecken, fanden aber erst den Supermarkt nicht und stellten dann fest dass dieser geschlossen war. Wir nahmen also in einer Pizzaria, die wir auf dem Weg gesehen hatten, Pizzen zum Mitnehmen in die Hand und gingen zum Bahnhof, von dem laut Anzeigetafel um 19:17 ein Zug nach Stockholm losfahren sollte.

Als wir in diesen einstiegen, informierte uns der Schaffner aber sogleich, dass der Zug an diesem Tag wegen Bauarbeiten nur bis Boden fahren sollte, was uns natürlich nicht besonders gut gefiel. Wir konnten aber daran wenig ändern, der nächste Zug sollte von dort am nächsten Morgen um 6:37 nach Stockholm losfahren. Gegen 22:00 standen wir also im winzigen Nest Boden am Bahnhof und suchten nach einer Übernachtungsmöglichkeit.

Uns sprang bald ein paar Meter vom Bahnhof ein Gebäude mit der Aufschrift "Vandrarhem" ins Auge, vor dessen verschlossener Tür wir dann mit zwei deutschen Backpackerinnen standen. Jemand kam uns aus dem Gebäude entgegen und erklärte uns, dass man sich für eine Übernachtung von 17 bis 19 Uhr anmelden müsste. Auch ein Telefonat mit der Besitzerin des Hostels erbrachte uns keine Möglichkeit, dort die Nacht zu verbringen. Wir bekamen jedoch den Tipp, dass das nahegelegene Hotel "Standard", das von außen seinem Namen allzu gerecht wurde, die günstigste verbleibende Übernachtungsmöglichkeit dastellte. Dort erfrugen wir, wiederum durch ein Telefon an der Außenseite des Gebäudes, den Preis und bekamen 700 Kronen, gut 100 Euro als Antwort. Die zwei Mädels nahmen das sofort an, uns war es aber deutlich zu teuer und wir suchten uns stattdessen in einem kleinen Waldstück einige hundert Meter entlang der Bahnschienen einen Zeltplatz, errichteten notdürftig das Zelt und schliefen bald darin ein.

17. September 2012 - Nachtzug Stockholm - Malmö

Am nächsten Morgen nahmen wir dann den frühen Zug um 6:37. Wir verbrachten den Rest des Tages in unterschiedlichen Zügen, die alle von für uns, die wir die Standards der Deutschen Bahn AG gewohnt waren, unglaublich sauberen, schnellen und bequemen Zügen. Es gab überall kostenloses WLAN, die Toiletten waren in ausgezeichnetem Zustand, das Personal nett und es gab einmal sogar wegen einer Jungfernfahrt des Zuges kostenlosen Kaffee und Kanelbulle, das schwedische Nationalgebäck.

Wir mussten häufig umsteigen, in Luleå, Umeå, Gävle und schließlich Stockholm, wo wir leider keinen Schnellzug nach Malmö mehr bekamen sondern uns mit einem Nachtzug zufriedengeben mussten. Zwischendurch schauten wir auf dem Kameradisplay noch fast alle Bilder an, bevor die zweite Batterie den Dienst versagte.

19. September 2012 - Eisenhüttenstadt

Morgens in Mamlö nahmen wir nach einem Frühstück aus einem Supermarkt dann einen Bus nach Trelleborg (der Busfahrer ließ uns, bestimmt wegen unseres verwilderten Äußeren, kostenlos mitfahren). Dort checkten wir bei Scandlines in eine Fähre nach Malmö ein und verprassten unsere letzten Schwedischen Kronen in einem Café.

Nach der Fährüberfahrt waren wir des vielen Reisens eindeutig müde, mussten noch einen Bus vom Fährterminal nach Sassnitz nehmen um von dort aus in einen Regionalexpress nach Stralsund zu steigen. Wir telefonierten mit den Familien, die sich freuten dass wir wieder in Deutschland angekommen waren.

Von Stralsund aus nahmen wir dann einen weiteren Zug nach Berlin, wo wir gegen Mitternacht ankamen und uns in einen weiteren Zug nach Frankfurt Oder begaben. Wir versuchten nachzuzählen wie oft wir schon umsteigen mussten. Im Vergleich zur Hinfahrt mit zweimaligem Umsteigen in Malmö und Stockholm war die Rückfahrt zu einer unfreiwilligen Odyssee geworden. Papa holte uns aber um 1:30 noch in Frankfurt ab (großen Dank nochmal an dieser Stelle), sodass uns eine weitere Nacht erspart blieb. Am nächsten Tag waren wir unglaublich froh, wieder vollständig die Zivilisation erreicht zu haben und erholten uns ersteinmal von den Strapazen, was allerdings auch eine ausgiebige Runde Joggen beinhaltete.

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